Veröffentlicht am 30. April 2010 von lyrikzeitung
Was für ein Theater um ein Fragezeichen! Welcher Lärm wegen ein paar gestrichener Stellen! Und doch kommt es auf sie an, wenn man bedenkt, daß mancher Schriftsteller einen Vormittag damit verbringt, ein Komma zu setzen, das er am Nachmittag wieder löscht. Der Dichter Machmud Darwisch, einer der größten in arabischer Sprache, war von der Art. Das Erscheinen seines letzten Buches, Le Lanceur de dés et autres poèmes (Actes Sud, 88 p., 21 euros), ausgestattet mit verstörenden Bildern von Ernest Pignon-Ernest, stellt eine entscheidende Frage: was soll man veröffentlichen, wenn der Autor nicht mehr da ist?
Am Tag nach seinem Tod im August 2008 entdeckten sein Bruder und eine kleine Gruppe seiner Freunde unter seinen hinterlassenen Papieren jene Gedichte, manche knapp skizziert, andere augenscheinlich vollendet, an denen er arbeitete. Was tun damit? Manche wollten nur das tatsächlich Vollendete veröffentlicht sehen, andere alles. / Pierre Assouline, Le Monde 29.4.
Kategorie: Arabisch, PalästinaSchlagworte: Machmud Darwisch, Pierre Assouline
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Darwish schrieb solche Gedichte:
Nichts gefällt mir
Nichts gefällt mir mehr
Sagt ein Reisender im Bus – weder Radio
Noch Morgenzeitung noch auf den Hügeln die Zitadellen
Ich will nur weinen
Der Fahrer sagt: Warte die Ankunft ab an der Haltestelle
Dann kannst du allein weinen, so viel du willst
Eine Frau sagt: Mir gefällt auch
Nichts. Ich zeigte dem Sohn mein Grab
Es gefiel ihm und er schlief im Grab
Nicht einmal verabschiedet hat er sich
Von mir
Der Akademiker sagt: Mir gefällt auch nichts. Archäologie
Studierte ich und fand mich nicht im Stein. Bin ich
Wirklich ich ?
Und der Soldat sagt: Ich auch. Mir gefällt
Hier nichts. Ich belagere immer einen Geist
Der mich selbst belagert
Der entnervte Fahrer sagt: Bald erreichen wir
Die Endstation. Bereitet euch vor
Zum Aussteigen
Und alle schreien: Fahr weiter
Wir wollen sehen, was nach dieser Haltestelle kommt
Ich aber sage: Lass mich aussteigen. Auch mir
Gefällt hier nichts, aber ich bin
Des Reisens müde
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