116. Lyrikstationen 2009 (8)

Fortsetzungsessay von Theo Breuer

8

Orte der Augen

Gedichte, meine kleinen Archen

in der nacht setzen wir einander fort:
die perspektive einer nahen landschaft
zweier körper, deren wölbungen

zueinander fließen in atemgeräuschen.
auf fingerspitzen lesen wie die spuren
unsrer haut, wie wellen eines meeres,

das sich ins gespräch vertieft. Jedes mal
darin ist eine antwort auf etwas, das du nicht
beschreiben kannst; die kartographie einer liebe,

worin kein weg mehr vorgeschrieben, kein ziel,
nur dieser eine horizont, der ungefragt ertastet,
was wir fühlen: im schritt wird ein kuss

zum mund, in dem wir uns verlieren, körperlos
gebogen bis zum himmel, der zum schluss
in der luke über uns erscheint, ein fernes bild

der ungelesenen geräusche dieser nacht.

Christoph Leisten

Der gute Sinn, Gedichte in Anthologien und Zeitschriften zu veröffentlichen, liegt auch darin, hier auf eine wesentlich größere Leserschaft hoffen zu können als mit dem ei­genen Gedichtband (den es in vielen Fällen nicht einmal gibt). So mancher Autor weiß ein Lied davon zu singen, daß er seine poetische Präsenz in der Öffent­lichkeit mehr oder weniger den Magazinen, Online-Portalen und Sammelbänden ver­dankt.

Ganz anders Künstlerzeitschriften wie Holunderground oder Das zweite Bein: Die von Frank Milautzcki in der 6. Ausgabe als Kunstschachtel herausgegebene Zeit­schrift gibt es gerade mal in 30 Exemplaren. Hier findet Lyrik gleichsam unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt: Tut sie das nicht eigentlich immer? Erstaunlich preiswert ist die wohlgefüllte Faltschachtel, bis zum Rand gefüllt mit feinen Gedich­ten (Gedichte, meine kleinen Archen, Peter Rühmkorf in Akzente 3/09), u.a. von Anja Finger, André Schinkel, Walle Sayer und Christoph Leisten, und originellen (origina­len) Graphiken von Frank Milautzcki.

Auf einem Bein kann der Mensch bekanntlich nicht stehn, er braucht Das zweite Bein – und mehr:

  • Michael Arenz (Hg.), Der Mongole wartet
  • Heinz Ludwig Arnold, TEXT+KRITIK
  • Hubert Brunträger (Hg.), Zeichen & Wunder
  • Werner Bucher (Hg.), orte
  • Urs Engeler (Hg.), Zwischen den Zeilen
  • Andreas Heidtmann (Hg.), poet
  • Hadayatullah Hübsch (Hg.), Holunderground
  • Karl E. Jirgens (Hg.), Rampike
  • Michael Krüger (Hg.), Akzente
  • Frank Milautzcki (Hg.), Das Zweite Bein
  • André Schinkel (Hg.), oda – Ort der Augen
  • Helmut Schranz (Hg.), Perspektive
  • Sandra Uschtrin (Hg.), Federwelt
  • Stefanie Weh (Hg.), Decision
  • Norbert Weiß (Hg.), Signum

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