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Veröffentlicht am 21. Juni 2025 von lyrikzeitung
155 Wörter, 1 Minute Lesezeit
Alfred Brendel war nicht nur einer der bedeutendsten Pianisten des 20. Jahrhunderts, sondern auch ein Dichter mit wachem Blick und feinem Humor. Am 17. Juni ist er in London gestorben.
Alfred Brendel
(* 5. Januar 1931 in Wiesenberg, Okres Šumperk, Tschechoslowakei; † 17. Juni 2025 in London)
ALS DIE KÜNSTLICHEN MENSCHEN gelernt hatten
sich wie Du und ich zu benehmen
wußten wir
daß unser Spiel verloren war
Da sitzen sie
etwas zu glatt im Gesicht
und trinken Tee
blicken einander tief in die Augen
oder krümmen sich vor Lachen
Unfehlbar
und doch mit größter Zartheit
spielen sie Klavier
reproduzieren sich diskret im Nebenzimmer
und schießen die Vögel vom Dach
während wir
Veteranen der Natürlichkeit
von den Umständen zum Äußersten getrieben
keinen anderen Ausweg sehen
als engelhaft gut zu werden
oder vielleicht doch lieber
über die Maßen böse
Aus: Christoph Buchwald, Raoul Schrott (Hrsg.): Jahrbuch der Lyrik 1999/2000. Über den Atlas gebeugt. München: C.H. Beck, 1999, S. 59f
Kategorie: Österreich, DeutschSchlagworte: Brendel 1931–2025, Brendel als Dichter, Brendel Todesnachricht, Christoph Buchwald, deutschsprachige Gegenwartsdichtung, Jahrbuch der Lyrik, künstliche Intelligenz in der Dichtung, Klavier und Poesie, literarisches Vermächtnis, Lyrik der Jahrtausendwende, Lyrik und Musik, Mensch vs. Maschine, Musiker als Lyriker, Nachruf Alfred Brendel, philosophische Poesie, Poesie und Gesellschaft, poetische Kritik an Technologie, poetischer Humor, Raoul Schrott, zeitgenössische Lyrik
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Wunderbar gruselig subtil! Dieses Gedicht erinnert mich an die Stimmung des letzten „Wilden“ in Huxleys Brave New World, der keine echte Liebe findet in einer durchkonditionierten Welt. Habe von Brendel den Gedichtband FINGERZEIG günstig bekommen: darin finden sich weitere grandiose Gedichte, auch ein sehr bissiges über Buddha…
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