Die wahre Mutter-Sucht

Jacob Cats 

(* 10. November 1577 in Brouwershaven auf der Insel Schouwen-Duiveland; † 12. September 1660 in Den Haag) 

Der niederländische Dichter Jacob Cats war in seiner Heimat über seinen Tod hinaus populär. Auch in Deutschland erschienen schon zu Lebzeiten und noch lange danach zahlreiche Übersetzungen. Die junge Dichterin Sibylla Schwarz (1621-1638) erhielt seine Werke und begann daraus zu übersetzen. Hier ein Auszug aus seinem Hauptwerk Houwelick (Ehe), eine Art Ratgeber besonders für Frauen, im Original erschienen 1625.

Aus: Die Heurath. 5. Teil

Wann euch der milde GOtt nun Kinder hat gegeben/
Und ihr in selbigen allmählig könnet leben/
  Da habt ihr Freud' und Lust/ ein rechtes Zeit vertreib/
  Zum Guten für den Mann so wohl/ als für das Weib.
Da ist die Stund und Zeit/ die recht bequem muß taugen/
Das neugebohrne Kind mit eignem Blut zu saugen/
  'Sist Unrecht/ daß das Weib / bey ihrer zarten Frucht/
  Nicht günstig stellt zu Werck die wahre Mutter-Sucht.
Gebrauch/ o junge Frau/ brauch deine wehrte Gaben/
Brauch deine edle Milch/ das liebe Kind zu laben ;
  Denn einem feinen Mann erweckt es grosse Lust/
  Wenn seine liebe Frau dem Kinde giebt die Brust.
Die Brüste/ die du trägst/ so geistig auffgeschwollen/
So angenehm erhöh't/ so künstlich auffgequollen/
  Sind nicht/ daß man sie bloß zum Schmuck des Leibs beschau/
  Noch weniger zur Pracht und Uppigkeit der Frau.
Gewiß/ der wehrte Schatz/ die angenehmen Hügel/
Die lieblichen Coralln/ sind ja ein andrer Spiegel/
  Als daß man sie gebrauch nur zur Ergötzlichkeit/
  Sie sind der jungen Frucht zur Nahrung bloß geweyht.
Das ist ihr rechtes Ziel. Das zärtliche Gebeine
Findt annoch keine Lust an Trauben und am Weine/
  An keinem Malvasier ; Die süße Milch allein
  Kan stillen sein Geschrey/ und ihm ein Labsal seyn.
(...)
Du hattest große Lust / du schöpfftest viel Behagen/
Vor eine süsse Last inwendig einst zu tragen/
  Nun/ da es dich ansieht/ und zu der Mutter lacht/
  Laß deine Mutter-Sucht verneuren ihre Macht.
Erbarme/ bitt' ich dich/ doch über dein Gebeine/
Und deines Leibes Frucht/ vernimmstu/ daß sie weine/
  Die Hände nach dir streck'/ und klopf' an deine Brust/
  Zu löschen ihren Durst/ zu büssen ihre Lust.
Der Unterscheid ist groß/ wann Mütter selber säugen/
Und mit der offnen Brust ein günstigs Hertze zeigen/
  Als wenn ein fremdes Weib und Amm den Dienst verübt/
  Und offt der jungen Frucht gestöhrte Brüste giebt.
(...)
Doch wirds zu guter Art und gutem Leumuht taugen/
Sieht man das junge Kind an deinen Brüsten saugen
  'Sist Ehre vor die Frau/ wenn sie dem Eh-Mann zeigt/ 
  Daß sie ein junges Kind aus ihrem  Busen säugt.
Macht keinen Unterscheid/ last alle frische Frauen
Auff diese Mutter-Pflicht mit sichern Gründen bauen (...)

Aus: Die Heurath. Fünffter Theil. In: Des Welt-berühmten Holländischen Poëten/ JACOB CATS, (…) Sinnreicher Wercke und Gedichte/ Aus dem Niederländischen übersetzt/ Andrer Theil: Bestehend in der Heurath (…) Hamburg/ bey Seel. Thomas von Wierings Erben/ im gülden A/B/C. bey der Börse/ im Jahr 1711. S. 469 – 473

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