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Veröffentlicht am 30. September 2018 von lyrikzeitung
Christa Reinig
(* 6. August 1926 in Berlin; † 30. September 2008 in München)
Die alten Inder hatten seinerzeit bereits ein Problem durchdacht, das uns heute erst langsam aufdämmert. Was
geschieht eigentlich mit der beachtlichen Minderheit, die von einer demokratischen Mehrheit daran gehindert wird,
in der Diktatur leben zu dürfen?
Freiheit ist für viele Schafe
Schwerer als die schwerste Strafe.
Kein Hund hat sie ins Bein gebissen,
Das belastet ihr Gewissen.
Kein Metzger metzt sie in die Schüssel,
Das ist ihres Kummers Schlüssel.
Kein Gerber gerbt ihnen die Felle,
Das ist ihrer Klagen Quelle.
Kein Schleifer schleift sie nach Sibirien,
Da zieht es sie nach Syrien.
Sie lassen uns recht herzlich grüßen
Im heißen Sand mit kalten Füßen.
Papantscha Vielerlei (1971)
Aus: Christa Reinig: Sämtliche Gedichte. Düsseldorf: Eremiten-Presse, 1984, S. 223
Kategorie: Deutsch, DeutschlandSchlagworte: Christa Reinig
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