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Richard Weiner.
Jean Baptiste Chardin
Dies ist mein Tisch,
Dies meine Hausschuh,
Dies ist mein Glas,
Dies ist mein Kännchen.
Dies meine Etagere,
Dies meine Pfeife,
Dose für Zucker,
Großvaters Erbstück.
Dies ist mein Eßzimmer,
Dies meine Ecke,
Dies ist mein Hund,
Dies meine Katze.
Hier ist mein Wegdewood,
Dort ist mein Sevres.
Das lustige Bildchen,
Fragos Geschenk.
Bläuliche Schalen
Hab‘ ich sehr gern.
Blumen im Fenster
Liebe ich sehr.
Fuchsien aber
Seh ich am liebsten.
Meine Charlotte
Liebet den Flieder.
Täglich um elfe
Frühstücken wir.
Abends um achte
Deckt man zu Tisch.
Esse am liebsten
Spargel mit Sauce,
Wildbret auf Pfeffer,
Erdbeer mit Creme.
Und die Charlotte
Liebt ihre Austern,
Hühnchen auf Schwammerln,
Hummerragout.
Gut ist’s zu Hause,
Sehr gut zu Hause.
Dies meine Ecke,
Dies meine Hausschuh.
Glattes Email
Glanzüberquillt.
Dies ist mein Weib.
Dies ist mein Bild.
Keine Parodie auf Günter Eichs „Inventur“, sondern das Urbild. Dieses Gedicht des tschechischen Schiftstellers Richard Weiner erschien 1916 in der Reihe „Die Aktions-Lyrik“ im Band „Jüngste tschechische Lyrik. Eine Anthologie“. Sehr wahrscheinlich kannte Eich das Gedicht. Ich weiß nicht, ob die Anleihe bewußt war oder ob Jahrzehnte später eine irgendwann gelesene Form fernwirkte. Ich halte nichts von der manchmal geäußerten Meinung, erst Eich habe der Form den „ihr entsprechenden“ Inhalt gefunden. Beide Gedichte können für sich stehen.
Richard Weiner wurde am 6. November 1884 in Písek geboren und starb am 3. Januar 1937 in Prag.
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