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Der Bastardslam im Berliner »Ritter Butzke« ist seit langem eine Institution der Poetry-Slam-Szene. Seit 1994 findet er in wechselnden Locations statt und hat sich für manchen als Sprungbrett erwiesen. (…)
Man mag sich fragen, ob Slam Poetry ihre Wirkung nur abseits der klassischen Clubveranstaltungen entfalten kann. Poetry Slams werden schließlich häufig dafür kritisiert, dass die Künstler mit ihren Darbietungen primär auf Zugänglichkeit, Massentauglichkeit und Amüsement abzielen – eine Eigenheit, die letztlich in den Spielregeln festgeschrieben ist: Wenn das Publikum mittels Beifall darüber entscheidet, wer als Gewinner des Abends hervorgeht, geht es dann nicht primär darum, Einverständnis zu erzeugen?
Hahl betont, es gehe ihr nicht darum, mehrheitsfähige Texte zu schreiben. Für sie stehe der Wettbewerb längst nicht mehr im Vordergrund, eine Entwicklung, die sie auch bei anderen Slam-Poeten beobachtet hat. Sie habe schon erlebt, erzählt sie, dass sich die Teilnehmer am Ende des Abends nicht mehr daran erinnern konnten, wer eigentlich gewonnen hatte.
Dennoch habe sich die Szene in den vergangenen Jahren nicht nur zum Positiven entwickelt. Heun bestätigt, dass Poetry Slams immer größer und professioneller geworden sind. Eine Beobachtung, die nicht für die Präsenz gesellschaftskritischer Inhalte spricht. Damit die Szene nicht selbstreferentiell wird, seien die Künstler auf Inspiration von außen angewiesen, sagt Heun. Häufig werden lediglich Stile imitiert, dabei könne man sich beispielsweise vom Theater noch einiges abgucken.
Auch Hahl befürchtet, dass die Kommerzialisierung und die Professionalisierung der Szene sich auf die Qualität der Texte auswirken. Ihr zufolge werde der Poetry Slam in Deutschland immer mehr zu einer Comedy-Veranstaltung. Dagegen könne man nur eines tun, »einfach nicht aufgeben, sondern weitermachen«. Weiterschreiben, wendig sein: »Vielleicht geht man ja verloren in jeder banalen Begegnung, doch verlorengehen ist immerhin eine Art der Bewegung.« / Marie Gronwald, Jungle World
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