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Aber zurück zu den Dichtern, die der „innersten Alchimie des Wortes“ auf der Spur sind. Eine Portalfigur für die experimentelle Poesie der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist Friederike Mayröcker, die Muse der Avantgarde, die sich selbst gar nicht der experimentellen Poesie zugerechnet wissen will. Anlässlich ihres 90. Geburtstags am 20. Dezember diesen Jahres hat ihr Alfred Kolleritsch, der Herausgeber der Literaturzeitschrift „manuskripte“, die aktuelle Ausgabe seiner Zeitschrift gewidmet. Darin findet man schöne Widmungs- und Huldigungs-Gedichte von Oswald Egger, Hans Eichhorn und anderen an Mayröcker – und drei ganz neue Gedichte der Dichterin selbst, die seit einigen Jahren von zunehmender Immobilität geplagt ist. Zur religiösen Vorstellungswelt ihrer Gedichte gehört nicht nur ihr Bekenntnis zum „apostolischen Stil“, sondern die Rede von den „Fittichen“, auf denen sich das schreibende Ich zur Sprache und in die Lüfte tragen lässt. (…)
(…) In einem herrlichen Sonderheft der Zeitschrift „Neue Rundschau“ sind nun elf Lyriker aus der finnlandschwedischen Region versammelt, also Dichter, die der schwedischsprachigen Minderheit in Finnland angehören und die an die moderne Bildwelt der Edith Södergran anschließen. Und selbst bei dieser territorial doch äußerst begrenzten Literatur finden wir die ganze poetische Vielfalt moderner Lyrik versammelt: Das lyrische Notat, die poetische Momentaufnahme und das erzählende Gedicht stehen neben experimentellen Ansätzen. Für Ralf Andtbacka ist dabei ein „exquisites Gefühl von Freiheit“ die Voraussetzung von Poesie. Die treffendere poetische Maxime finden wir in dem Nachwort von Fredrik Hertzberg: „Erst wenn wir unsere Machtansprüche hinter uns lassen, kann das Schreiben beginnen.“ / Michael Braun, Poetenladen
manuskripte, Heft 206
Sackstraße 17, A-8010 Graz, 166 Seiten, 11,70 Euro.
Neue Rundschau, Heft 3/2014
Hedderichstr. 114, 60596 Frankfurt am Main, 304 Seiten, 15 Euro
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