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Veröffentlicht am 17. Juni 2022 von lyrikzeitung
Damals war alles um Längen hochaufstrebender, reinster, leuchtendster, ahnungsvollster… aber die Banausen waren banausisch, die Stümper frech, und leben konnte man auch damals nicht davon:
Ferdinand von Saar
(* 30. September 1833 in Wien; † 24. Juli 1906 in Wien-Döbling)
Die Lyrik Ob auch ein überkluges Geschlecht Dich belächelt als Unverstand; Ob der banausische Schwarm, Der in den Tempel der Kunst sich drängt, Um bei des Altars heiliger Flamme Mahlzeit zu halten, Dir, weil du den Mann nicht nährst, Hochmüthig den Rücken kehrt, Indeß ein Heer frecher Stümper Dich entweiht zu nichtigem Spiel: Immer und ewig Bleibst du, hochaufstrebende Lyrik, Blüthe und Krone der Dichtkunst. Denn überall sonst befehden sich Stoff und Form, Und der Meister selbst, Der den Zwiespalt zu lösen scheint, In tiefster Brust empfindet er Vor dem beendeten Werk Vorwurfsvollen Mißklang Des Unbewältigten. Du aber, athmend reinster Empfindung Hauch, Folgst in sanften Rhythmen Willig dem Geist Und lenkst ihn zuletzt, Da du Worte hast für das Unsagbare, Siegreich hinan zu ahnungsvollster Erkenntniß. Und wie du der Freude Höhen Als leuchtendste Rose schmückst, Blühst du auch, schwermuthsvoll, Als Passiflore hervor Aus den Abgründen des Lebens.
Quelle:
Ferdinand von Saar: Gedichte, Heidelberg, (2) 1888, S. 105-108.
Permalink:
http://www.zeno.org/nid/20005568412
Kategorie: Österreich, DeutschSchlagworte: Ferdinand von Saar
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