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Auf die Gefahr, allmählich den Unmut der verehrten Leserschaft auf mich zu ziehen, hier noch einmal der alte Anakreon. Ich finde nämlich, er ist interessanter als das meiste, was man Anakreontik nennt. So Zeug von Frauen und Wein („Wein, Weib, Gesang“) in gereimten deutschen Versen. Anakreons Werk besteht fast nur aus Fragmenten, aber man spürt doch den Biss. Heute ein Epigramm und ein paar Fragmente von Liebe. Allerdings setzt das Epigramm auch zunächst mit Ablehnung ein, Anakreon ist auch kein schlechter Hasser.
Epigramm Gar nicht schätze ich den, der, beim vollen Mischkruge schlürfend, nur von bitterem Streit, traurigem Kriege erzählt; nein, ich ehre den Mann, der die herrlichen Gaben der Musen und Aphrodites Geschenk mitbringt zu frohem Genuß.
Deutsch von Dietrich Ebener, aus: Liebe ist nicht Lieb allein. Altgriechische Liebesgedichte. Berlin u. Weimar: Aufbau, 1984, S. 27
Schon wieder hat wie ein Holzfäller der Liebesgott mit gewaltiger Axt mich gefällt, im winterlichen Bergbach mich gewaschen.
Deutsch von Eckart Peterich, aus: Fragmente frühgriechischer Lyrik. Florenz: Sansoni, o.J. (1943), S. 63
Eros der Schmied Mit schwerwuchtendem Hammerschlag, wie die glühende Stang ein Schmied, trifft mich Eros und taucht mich dann in eiskaltes Gewässer.
Deutsch von Emanuel Geibel, aus: Liebesdichtung der Griechen und Römer. Ausgewählt und zum Teil neu übertragen von Horst Gasse. Leipzig: Dieterich, 1963, S. 57
Zum Schluß ein paar kurze Fragmente und Splitter.
Ich liebe wieder und ich liebe nicht und bin von Sinnen schon und bin es nicht.
(Ebener)
... und wieder lieb' ich und lieb' nicht, bin rasend und bin rasend nicht.
(Latacz)
... schüttelte die langen Thrakersträhnen ...
(Ebener)
Nicht mehr kümmere ich mich um das thrakische Mädchen.
(Ebener)
Zum Abschluß der Anakreonserie ein Fragment auf Englisch
Kein Unmut von mir. Von thrakischen Mädchen kann man nicht genug lesen.
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Gäbe schon noch mehr, was ich erst mal zurückgehalten habe. Nicht nur von Thrakern, und nicht nur von Mädchen. Aber sozusagen als Zugabe noch zwei Fragmente vom Krieg:
… meinen Schild warf ich weg …
… wer kämpfen will, … soll er doch
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„So Zeug von Frauen“ Dein Ernst? Hier mal eine Buchempfehlung:
https://www.kiwi-verlag.de/buch/nicole-seifert-frauen-literatur-9783462002362
Herzliche Grüße, Johanna Blau
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Wenn Sie weiter lesen, werden Sie merken, da steht: „So Zeug von Frauen und Wein“. Nämlich Anakreontik etwas holzschnitthaft definiert: Männer singen von (= über) Frauen, Wein und so Zeug. („Wein, Weib, Gesang“. Übrigens finden Sie hier wahrscheinlich tausende Nachrichten zu Dichtung VON Frauen.
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Hatte mich ja auch gewundert, hab Ihren Text noch einmal gelesen und entschuldige mich bei Ihnen. Die Buchempfehlung nehme ich aber nicht zurück, lohnt sich auf jeden Fall zu lesen. Herzliche Grüße, Johanna Blau
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Nein, die müssen Sie nicht zurückziehen. Zu empfehlen auch die in diesem Jahr erschienene 900 Seiten starke Anthologie: Frauen | Lyrik. Gedichte in deutscher Sprache, die Gedichte von Frauen sowie von Männern über Frauen zusammenstellt. Und die Pionierarbeit von Gisela Brinker-Gabler: Deutsche Dichterinnen vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Gedichte und Lebensläufe, in der unter vielen (damals, 1978 – Auflage bis 1979 25.000 ) vergessenen und von der Literaturwissenschaft vernachlässigten Frauen. Darunter auch Sibylla Schwarz, von der erst in diesem Jahr 2021 nun gleich 3 Ausgaben erschienen sind.
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Danke für die Empfehlungen. Frauen | Lyrik besitze und schätze ich sehr. Das Buch von Gisela Brinker-Gabler kommt auf meine Wunschliste. Ich hab mich sehr gefreut, über die Wallstein Ausgabe von Emmy Hennings – Gedichte zu stolpern in der Connewitzer Verlagsbuchhandlung (Band 3 der kommentierten Studienausgabe). Das Buch ist jetzt auch in meiner Sammlung. Ebenso wie Dichterinnen & Denkerinnen von Katharina Herrmann.
Herzliche Grüße
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