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Salvador Espriu
(Geb. 10. Juli 1913 Santa Coloma de Farners, Provinz Girona, gest. 22. Februar 1985 Barcelona)
Versuch eines Lobgesangs im Tempel
Oh, wie genug habe ich von meinem
feigen, alten, so ungeschlachten Land,
und wie gern würde ich davonlaufen,
weit nach Norden,
wo, wie man hört, die Leute reinlich sind,
anständig und gebildet, reich und frei,
wachen Sinnes und glücklich!
Dann würden, voll Mißbilligung, die versammelten Brüder
sagen: »Gleich einem Vogel, welcher sein Nest im Stich läßt,
ist der Mensch, der fortgeht von seinem Ort«,
während ich, weit entfernt schon, lachen würde
über das Gesetz und die abgestandene
Weisheit meines verstaubten Volkes.
Doch nie werde ich meinem Wunschtraum folgen,
und hier werde ich bleiben bis zum Tod.
Denn auch ich bin sehr feig und ungeschlacht
und liebe überdies mit einer
verzweifelten Trauer
dieses mein armes,
dreckiges, tristes, unglückliches Vaterland.
Deutsch von Fritz Vogelgsang, aus: Salvador Espriu, Obra Poètica. Das lyrische Werk in drei Bänden. Katalanisch und Deutsch. 1. Band. Zürich: Ammann, 2007, S. 355
Assaig de càntic en el temple
Oh, que cansat estic de la meva
covarda, vella, tan salvatge terra,
i com m’agradaria d’allunyar-me’n,
nord enllà,
on diuen que la gent és neta
i noble, culta, rica, lliure,
desvetllada i feliç!
Aleshores, à la congregació, els germans dirien
desaprovant: »Com l’ocell que deixa el niu,
aix l’home que se’n va del seu indret«,
mentre jo, ja ben lluny, em riuria
de la llei i de l’antiga saviesa
d’aquest meu àrid poble.
Però no he de seguir mai el meu somni
i em quedaré aquí fins a la mort.
Car sóc també molt covard i salvatge
i estimo a més amb un
desesperat dolor
aquesta meva pobra,
bruta, trista, dissortada pàtria.
Oh, wie schön und traurig. Dazu passt sehr gut ein altes Lied:
„Triste España, sin ventura“ (https://www.youtube.com/watch?v=XhuWYqBczEU)
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espriu meint allerdings nicht spanien, sondern katalonien
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