Urworte

Nikolaj Gumiljow

(Николай Степанович Гумилёв, Nikolaj Stepanovič Gumilëv; * 3. April jul./ 15. April 1886 greg. in Kronstadt; hingerichtet 24. August 1921 bei Petrograd, 1986 rehabilitiert)

Naturgemäß

Mir tut’s nicht leid, daß nun der Schleier,
Der die Natur verbarg, gefallen ist,
Daß niemand mehr im Wald, am Weiher
Najade oder Faun vermißt.

Kein Wüstensand raunt noch in Worten,
Wie letztlich nur ein Mensch sie spricht,
Und daß die Menschheit müd geworden,
Das gilt auch spät am Abend nicht.

Was sich naturgemäß verwandelt,
So langsam, mit der Gravitation als Lot –
Das sind Urworte, die beständig handeln
Vom Menschenleben nach dem Tod.

Nur du, als Dichter, kannst beherrschen
Die Sprache jener Drachenzeit,
Da Sphingen unter harschen Schergen
Sie brauchten aller Welt zum Leid.

Was einst ein Gott war. sei nun Sache
Und diese werde zum Prophetenwort,
Damit der Erdball endlich seine Achse
Erzittern spürt – der Ort deiner Geburt.

1921

Aus: Felix Philipp Ingold, „Als Gruß zu lesen“. Russische Lyrik von 2000 bis 1800. Russisch – Deutsch. Zürich: Dörlemann, 2012, S. 201

Николай Гумилев

Естество

Я не печалюсь, что с природы
Покров, ее скрывавший, снят,
Что древний лес, седые воды
Не кроют фавнов и наяд.

Не человеческою речью
Гудят пустынные ветра.
И не усталость человечью
Нам возвещают вечера.

Нет, в этих медленных, инертных
Преображеньях естества –
Залог бессмертия для смертных,
Первоначальные слова.

Поэт, лишь ты единый в силе
Постичь ужасный тот язык,
Которым сфинксы говорили
В кругу драконовых владык.

Стань ныне вещью, богом бывши,
И слово вещи возгласи,
Чтоб шар земной, тебя родивший,
Вдруг дрогнул на своей оси.

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