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Der Lyriker, Erzähler und Essayist Marcel Beyer ist der unumstrittene 15. Träger des Düsseldorfer Literaturpreises und hat den mit 20.000 Euro ausgestattet Preis von der Kunst- und Kulturstiftung der Düsseldorfer Sparkasse jüngst in Empfang genommen. Gelobt wurde von der Jury sein politisches und historisches Interesse, sein hohes Reflexionsvermögen sowie seine Sprache, die scharfsinnig und akribisch genannt wird. / Rheinische Post
Er wurde gefeiert wie ein Staatsgast. Eine Blaskapelle spielte, als Günther Uecker zum Grab des Dichters Hafez im iranischen Schiraz ging. Auf diese Weise wurden im antiken Persien nur Gesandte ausländischer Mächte auf dem Weg zum König begleitet. Die Szene ist gut eingefangen in dem Film, den Regisseur Michael Kluth über die Reise des Düsseldorfer Künstlers nach Schiraz, Persepolis und Teheran vor wenigen Wochen gemacht hat. Viele Menschen drängten sich um den vorsichtig schreitenden Künstler, der an diesem von den Iranern verehrten Ort seinen Werkzyklus „Huldigung an Hafez“ ausgestellt hat.
Uecker über Hafis:
Als ich die Verse vor rund 50 Jahren das erste Mal las, habe ich nur die Trunkenheit der Worte erlebt. Als ein Freund mir Jahre später sagte, der Bilderberg, den Hafez‘ in seinen Gedichten auftürme, passe gut zu meinem Bilderberg, habe ich mich erstmals tiefer mit dieser Lyrik befasst. Damals habe ich schon gespürt, dass die Verse weit über das Poetische hinausgehen. Sie sind aus einem tiefen Glauben heraus geschrieben, aber einem Glauben, mit dem der Dichter sich im Konflikt befand.
Hafez zeichnet Lobeshymnen an die Freude und die irdische Liebe, er huldigt Wein und Musik, kritisiert heuchlerische Frömmigkeit. Das haben die Mullahs nach der Revolution als Rebellion gegen den orthodoxen Islam interpretiert.
Die Mullahs beachteten ihn nicht so sehr. Das war übrigens zu seinen Lebenszeiten nicht anders. Schon seit der frühen Zeit der Verbreitung des Islam hat die Religion eine Strenge in die Welt der Gläubigen gebracht. Damit zu leben, empfand Hafez als widersprüchlich. Zwischen dem Alltäglichen und dem angeblich Wahrhaften gibt es immer Fehler. Lebensgenuss, Leidenschaft und Religiosität miteinander zu verschmelzen, war sein Anliegen. Hafez, der Korankenner, will den geraden Weg der Religion gehen, aber er kann es nicht immer. Manchmal geht er auch ins Wirtshaus. „Entschuldige Gott“, schreibt er in einem seiner Gedichte, „meine Füße tragen mich in eine andere Richtung.“
/Christiane Hoffmans, Die Welt 12.6.
Zum sechsten Mal wurde am Samstag in Wandersleben der Menantes-Preis für erotische Literatur vergeben. Die mit 2000 Euro dotierte Auszeichnung ging an Hellmuth Opitz aus Bielefeld. Denn mit 500 Euro dotierten Publikumspreis konnte Ingrid Svoboda aus Wien entgegennehmen. / TLZ
Nach seinem Lauf-Buch „42,195: Warum wir Marathon laufen und was wir dabei empfinden“ hat der Hamburger Autor und Publizist Matthias Politycki sich mit seinem neuen Buch auf das literarische Gegenteil geworfen – die Lyrik. / Die Welt
Alle paar Jahre wird wieder über einen angeblichen Lyrik-Boom geschrieben. In Wahrheit aber wird das Gedicht gerade in den klassischen Feuilletons an den Rand gedrängt. / Sagte Nico Bleutge völlig zu Recht in seiner Dankrede zur Verleihung des Alfred-Kerr-Preises für Literaturkritik auf der Leipziger Buchmesse, die die NZZ gekürzt abdruckte.
seiner als seriös geltenden Autoren hat nicht nur Suhrkamp (psst, Name wird nicht verraten. Darf ja auch gar nicht 😉 ), sondern jetzt auch der Erbe des Dichters Rudolf Borchardt, berichtete die NZZ.
Der 1907 in L’Isle-sur-la- Sorgue geborene René Char war Poet, Denker und Partisan. Nach einer Begegnung mit André Breton und Paul Éluard einige Jahre Mitglied der Surrealisten in Paris, ging er nach der Eroberung Frankreichs durch Nazideutschland 1940 mit der Frau von Tristan Tzara, der schwedischen Malerin Greta Knutson, zurück in seine provenzalische Heimat und führte als „Capitain Alexandre“ eine Widerstandsgruppe. In diesen Jahren versuchte er der Poesie zu entsagen, dennoch entstanden Notizen, Aphorismen und Prosagedichte. Diese Aufzeichnungen aus dem Maquis wurden von seinem Freund Albert Camus, der Char für den größten Dichter Frankreichs seit Apollinaire hielt, unter dem Titel Hypnos herausgegeben; von Paul Celan ins Deutsche übertragen, erschienen sie das erste Mal 1959. / Richard Wall, Der Standard
René Char, „Suche nach Grund und Gipfel“, deutsch von Manfred Bauschulte, € 22,90 / 224 Seiten, Klever, Wien 2016.
Raymond Antrobus ist Junger oder Jugend-Poet Laureate (Young Poet Laureate) von London, ein Amt, zu dem die britische Hauptstadt jedes Jahr einen im UK lebenden Dichter zwischen 21 und 30 ernennt. Antrobus ist jamaikanischen Ursprungs in der zweiten Generation. Obwohl er nur hin und wieder nach Jamaika reist, betont der Sohn eines jamaikanischen Vaters und einer englischen Mutter den Einfluß seines jamaikanischen Erbes. „Meine Eltern hatten eine komplizierte Beziehung, genau wie ihre Nationen.“ / Jamaica Gleaner
Mit einem sehr ungewöhnlichen Kunst-Poesie-Projekt stimmt der in Berlin lebende argentinische Künstler und Dichter Cristian Forte auf den Hausacher Leselenz ein. Er gestaltet mit 50 Hausachern ein Hebel-Gedicht mit einem von ihm erfundenen »Fingeralphabet«. / Mittelbadische Presse
Gregor Dotzauer interviewte den amerikanischen Dichter Charles Simic, Tagesspiegel 14.6.
Zu seiner Amtseinführung als Präsident der USA lud John F. Kennedy den Dichter Robert Frost ein und begründete damit eine neue Tradition. Für den Fall, dass Donald Trump bei Ihnen anklopft: Hätten Sie ein Gedicht für ihn?
Die Wahrscheinlichkeit, dass Trump überhaupt einen Dichter einlädt, geht, wie Sie wissen, gegen null. Ich hätte aber auch unter anderen Umständen wenig beizutragen. Denn was Dichter zu solchen Anlässen beigetragen haben, war fast immer mies. Es funktioniert nicht, und ich habe Mitleid mit jedem, der es tut – selbst bei Clinton und Obama. Nach 9/11 bat der Kongress Billy Collins, den damaligen Poet Laureate der USA, ein Gedicht über das Geschehene zu schreiben. Doch als er „The Names“, ein ungewöhnlich gutes Gedicht schließlich vortrug, waren die meisten Gäste nur perplex. Wer ist das, fragten sie sich. Und: Was ist hier eigentlich los? Sie hatten offenbar noch nie ein Gedicht gehört. Das sagt alles über die Situation der Poesie in unserem Land.
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Weil ich bisher in der Lyrikzeitung noch nichts darüber gefunden habe noch eine „kleine“ Preis-Ergänzung: Marcel Beyer erhält den Georg-Büchner-Preis 2016.
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