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Herr Djerassi, wollen Sie überhaupt noch über die Pille reden?
Haha, die Frage gefällt mir. Die Antwort ist: Nein!
Warum nicht?
Weil ich seit einer Ewigkeit über nichts anderes reden muss. Ich führe aber jetzt ein anderes Leben, ich schreibe seit 20 Jahren Theaterstücke, Gedichte und Romane, ich bin ein intellektueller und literarischer Schmuggler und befasse mich nur mit Themen, die mich interessieren.
Sex und Liebe sind der rote Faden in Ihrem Werk.
Das stimmt – aber auch verbunden mit Naturwissenschaft. Wie verändern sich Sexualität und Liebe in Zeiten technischer Reproduzierbarkeit? Zuletzt habe ich mich allerdings mit jüdischer Identität befasst und das beste und wichtigste Buch meines Lebens geschrieben, aber da ging es eben gar nicht um die Pille. Also dürfte Sie das wohl kaum interssieren …
Ich muss zugeben, dass die sexuelle Revolution, die ohne die Pille undenkbar gewesen wäre, für mich persönlich sehr wichtig war. Ich habe in San Francisco gelebt, das vielleicht das aggressivste Zentrum dieser Revolution war. Ich habe darüber sogar ein Gedicht geschrieben, es heißt „Die Uhr läuft rückwärts“. Da beschreibe ich das sehr ehrlich.
Würden Sie es aufsagen?
Es handelt von einer rückwärts laufenden Uhr, die ein Mann zum Geburtstag geschenkt bekommt:
Amüsant – genau das Geschenk für den Mann, der alles hat
Wie faustisch, dachte der Freund
Als die Zeiger die 50 ereichten, hielt er sie an: Bücher, Hunderte von Artikeln, Dutzende von Ehren
Nicht schlecht, dachte er, die Uhr gefällt mir
Doch 50 war auch die Zeit, als seine Ehe zerbrochen war …
/ FR 7.5.
(Das Gedicht geht weiter – Zeileneinteilung ist online unsichtbar, ebenso wo genau es anfängt und aufhört)
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