56. Ohne Überblick sein dürfen

Für „Howl“ ist Ginsbergs Vortragsart zentral. Er kultivierte eine Art Sprechgesang, der entfernt an Rap erinnert. 2010 erschien ein Film, der den Gerichtsprozess um „Howl“, das als anstößig empfunden wurde, zum Gegenstand hatte. Ginsberg wird als Begründer der Beat-Generation gefeiert. Ihre Geschichte ist inzwischen längst zur Legende geronnen, die als Block im Regal zwischen Che Guevara und Andy Warhol liegt. Lässt sich über Ginsberg überhaupt noch etwas Neues erfahren? Verdecken einem nicht all die populären Ginsberg-Bilder die Sicht?

Der Kurator der Schau, der 1936 in Paris geborene Künstler und Autor Jean-Jacques Lebel, gibt einen sehr direkten Einblick in die Geschehnisse. Etwa zeitgleich zu Ginsberg in Amerika entwickelte Lebel das Happening, Aktionen zwischen Kunst und Politik in Frankreich. Er war mit Ginsberg gut befreundet und übersetzte viele seiner Bücher ins Französische. (…)

Die Presse kritisierte die Ausstellung vielfach als beliebig und kontextfrei. Manchmal aber ist der Kontext tödlich für das Wiederverstehen eines Werkes. Wer Kontext will, soll sich ein Buch kaufen. Vielleicht die kritische Biografie von Michael Schumacher. Für einen neuen Zugang gibt es diese Ausstellung. Schön ist diese Weite, schön ist es, ohne Überblick sein zu dürfen. / RADEK KROLCZYK, taz 8.7.

„Beat Generation/Allen Ginsberg“, noch bis 1. September, Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe

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