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L&Poe Journal #02-2022
Weiter im Text.
Konstantin Ames: Grußwort zum Endebeginn des Lyrikbetriebs (Fortsetzung ) | Kommentar Michael Gratz |
Auch von daher nimmt das Interesse an der Sparte Lyrik beim kunstsinnigen Teil der Republik ab: Freunde stellen Freunde vor, nichts sonst. Wer will wissen, wer warum wen wie sehr mit welchen Mitteln mag? | |
Es wird solche Zentralisierungsversuche weiterhin geben, aber nie ein Zentrum. Großmannssüchte enden mit zuverlässiger Publikumsverödung. | Kritik am Berliner Projekt „Zentrum für Poesie“ |
Poesie heute krankt daran, dass institutionalisierte Elitelangweiler eine ganze Sparte in Verruf bringen. Und nicht selten versuchen die institutionalisierten Häuser die freien Szenen zu nützlichen Handlangern zu machen. Als säße man im selben Boot … | „Poesie heute krankt an“. a) Institutionen b) von diesen instrumentalisierte (oder die Instutitionen instrumentalisierende) Autorenprominenz, die er Elitelangweiler nennt. Er weist aber darauf hin, dass sie nur scheinbar im selben Boot sitzen. |
Brisant wird diese Beobachtung nun erst recht in Verknüpfung mit der Frage: Warum päppelt ein demokratisch verfasstes Gemeinwesen überhaupt so etwas wie eine „Königsdisziplin“ – finanziert also im Grunde verkappte Demokratieverachtung? Spitzenlyrik in Deutschland ist weiß und bürgerlich, eben homogen hochdeutsch und allzeit karrierebereit. | Kritik an dem Klischeewort „Königsdisziplin“, das meiner Meinung nach ja nur die tatsächliche Marginalität der „Königsdisziplin“ verhüllen soll. Wer das Wort verwendet, meint es nicht ernst. Kritik an dieser Sprechweise tut not. Ames münzt es auf „Spitzenlyrik“, Elitenförderung und verweist auf die nur dürftig verhüllte antirepublikanische Semantik. |
Cliquistische Identitätspolitik („wehrhafte Poesie“) scheint auch diese Aspekte aus den Augen zu verlieren. | „Wehrhafte Poesie“, in seiner Sicht ein weiteres Klischeewort, diesmal von innerhalb der Lyrikszene. |
Mir kann es mit dem Ableben der Lyrik gar nicht schnell genug gehen. Leider werden immer neue Lebenserhaltungsmaßnahmen eingeleitet. Schwieriglyrik, Tierlyrik, Hörlyrik. Ob das nun klimatisch oder antiklimatisch ist, sei jedem selbst anheimgestellt. Die drei eben genannten Peaks sind jedenfalls unter dem Rubrum „Interessantismus“ unterzubringen. So lässt sich Förderkohle auf scheinbar ganz natürlichem Weg herbeischreiben. Vielleicht ist das auch eine Art Nature-Writing … | Polemische Spitzen gegen (sehr) diverse Richtungen in der Gegenwartslyrik. |
Man wohnt einer Farce bei. Alle Beteiligten wissen, dass es kein nennenswertes Publikum für Lyrik mehr gibt. Von daher ist der schelmisch-rhetorische Aufwand zu erklären, mit dem Kritiker des lyrischen Einerlei von vornherein ins kommunikative Abseits gedrängt werden sollen: „Ihr lest keine Lyrik? Seid ihr wahnsinnig?“ – Ein klasse Lehrbeispiel in Sachen Normalismus. Selbstgenügsamer ist hierzulande nur das Filmförderwesen. | Ich persönlich fand den hier kritisierten Slogan eher witzig. und würde ihn nicht so direkt auf das kritisierte Phänomen beziehen. Aber ja, jeder, der einen pointierten Text schreibt, produziert eine relativ geschlossene Interpretationsdecke, in der jedes Detail eingewebt erscheint. Jeder von uns würde andere Details anders gewichten, aber das ist halt sein Text, nicht meiner. |
Um einige heroisierte Beuysʼ and Girls ist eine Entourage entstanden. Eine Legitimation dafür kann aber nicht durch Gunstbezeugungen und die ständige Förderung derselben vier, fünf Nasen geschaffen werden; einfach weil das System Kunst nicht nach sympathisch/unsympathisch codiert ist, sondern nach neu/kitschig. Alles andere ist ein Rückfall in die Zustände der Gruppe 47, oder waren sie nie vorbei? | Spätestens hier drängt sich mir der Gedanke auf, dass die fast geschlossene Abwehrhaltung der meisten an der „Debatte“ Beteiligten daher kam, dass eben zu viele sich mitgemeint fühlten. Zu Recht oder zu Unrecht. Und klar auch, warum ich Debatte in Anführungsstriche setze. Sie ging zum überwiegenden Teil auf ein dumpfes Beleidigtsein zurück und lehnte es ab oder vermied es zumindest, auf einzelne Argumente einzugehen. Einer schrieb gleich zu Beginn der Debatte zu irgendeinem der hier bisher zitierten Sätze: hier habe er aufgehört zu lesen. |
Klar ist mir jetzt, dass ich die „Amesdebatte“ gesondert und mit anderen Mitteln analysieren muss. Ich fahre dennoch fort, zuvor den Text selbst noch einmal (hier öffentlich) zu lesen. | |
Warum bringt der Dlf am 6. Mai 2021, den sich die Dichter Christian Morgenstern, Franz Mon und Erich Fried als (runde) Geburtstage teilen, zwei Beiträge zu Fried, aber jeweils 0 („null“) zu Mon und Morgenstern? Ist Sehereiauskunftei unbedingt wichtiger als überbordende Kreativität und poetischer Humor? |
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Lieber Michael Gratz,
es ist gut, diese Debatte noch einmal aufzugreifen und den Beitrag von Konstantin Ames zu kommentieren. Gleichwohl müsste die Debatte darüber hinaus noch einmal ganz anders geführt werden, weitaus differenzierter, meine ich. Die Perspektiven und Interessen derer, die sich mit Lyrik befassen, müssten noch sehr viel deutlicher herausgearbeitet werden. Zum Beispiel, wenn es um Literaturpreise geht oder auch um Begrifflichkeiten wie die literarische Elitenbildung. Da greift der Aufsatz von Konstantin Ames noch zu kurz.
Herzliche Grüße
artur
Dr. Artur Nickel (Autor, Literaturvermittler) Am Stenshof 117 44869 Bochum Tel.: 02327-974246 Mobil: 0173-2625830 Email: arturnickel@web.de http://www.arturnickel.de
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So hätte eine Antwort anfangen können, wenn es eine Diskussion gegeben hätte. Es gab aber keine. Es gab 1000 Facebookkommentare, in denen es ausschließlich darum ging, Ames niederzumachen und eine Debatte zu verweigern.
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Antwort auf den Kommentar von Artur Nickel: Scott, wäre er Deutscher gewesen, über Amundsen: „Ha! Er war vielleicht zuerst da, aber ich, ich wäre doch viel würdiger, vermittelter, vollständiger angekommen … So kann das ja jeder …“
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