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Veröffentlicht am 4. Februar 2021 von lyrikzeitung
Henriette Hardenberg
(* 5. Februar 1894 in Berlin; † 26. Oktober 1993 in London)
Zwei Dichterinnen, die am morgigen 5. Februar Geburtstag haben. Deshalb die ältere der beiden schon heute.
Hände
Wie seltene Tiere gehn sie auf und nieder
Und liegen tief im Meeresgrunde,
Mondfarben ist der Stein, wie eine Wunde
Hineingesetzt ins blühende Gefieder.
Ich fürchte dies verborgene Bewegen,
Als hänge Wind in Zweigen aufgehalten,
So werden wenig Finger in Gestalten
Meine Gedanken mir erregen.
Das Meer zerteilt sich, daß ich sie erreichte
Im wankenden Gestrüpp kristallner Nacht,
Die Hand, lang hingestreckt und doch versunken sacht,
Vor meinem Antlitz, das erbleichte.
Ich weiß nicht, ob im Meer verspült
Die kleinen Knochen durcheinandertreiben
Oder von Wolken eingehüllt
Sie greifen nach Musik und Reigen.
Ich weiß, daß Träume ohne Duft
Wie tote Finger starr in den Gelenken
Keine verhüllten Zauber schenken,
Nach denen der Lebendige schlafend ruft.
Aus: Henriette Hardenberg, Südliches Herz. Nachgelassene Dichtungen. Hrsg. Hartmut Vollmer. Zürich: Arche, 1994, S. 32
Kategorie: Deutsch, Deutschland, GroßbritannienSchlagworte: Henriette Hardenberg
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