50. Bürger Bönt

Keine Ahnung, aus welchem Milieu Ralf Bönt stammt. (War das nicht der Kämpfer für den unterdrückten Mann?) Jedenfalls gibt er sich redlich Mühe, Florian Keßler („Die [Klein][Bürgerkinder] Schriftsteller beschreiben das Milieu, das sie am besten kennen“) ins Recht zu setzen. Bönt lebt seit 20 Jahren in Ostberlin und beschreibt dem Hamburger Weltleser die Zustände im Kapitalismus des Ostens, der ganz anders als der gute alte westliche ist. Er hat es selber erlebt. Anfangs war das noch spannend:

Es war eine herrliche Zeit. Mit den anderen Redakteuren der Literaturzeitschrift „Konzepte“ traf ich mich kurz vor Mitternacht in der Kommandantur am Wasserturm im Prenzlauer Berg, und gegen eins kam Bert Papenfuß-Gorek herein, sah mich und brüllte: „Heil Hitler! Was willst du denn hier?“ Er gab die „Sklaven“ heraus, ein Anarchistenblatt. Die Sommer waren oft warm, und wenn die Sonne aufging, tranken wir ein letztes Bier auf der Straße, irgend jemand warf sich auf die Pflastersteine, breitete Arme und Beine aus und rief: „Warum nach Rom fahren?“

Lang ist das her. Die Sklaven probten den Aufstand, aus Sklaven wurden Gegner und dann vielleicht wieder was andres. Bönt hat nichts davon mitgekriegt, weil brave Kinder keine Anarchistenblätter lesen, das tun die nicht! Er hat nur  gehört, daß Papenfuß in die Unterhaltungsbranche gegangen sein soll. Ab und zu fährt ein Ossi im Mercedes vor und droht dem Bürger Bönt.

Der Kapitalismus des Ostens ist eben, ich hätte es, in der S-Bahn geboren und als ein Leser George Orwells, wissen sollen, der schlimmere.

So ist der Welt-Leser im Bild. Alles ist in der Ordnung. Gestern hatte ihm Krause beschrieben, wie die 47er/68er die Schriftstellerin Lewitscharoff verführten. Was wird er morgen erfahren?

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