126. Anbiedernd

Und so schreibt Michael Lentz ausgesprochen zumutbare Gedichte, die von Chaos, Terror und Wahnsinn, mit denen Liebe ja durchaus auch einhergehen kann, meilenweit entfernt sind. Sie zielen ganz und gar auf das Einverständnis mit dem Leser. Ihnen ist nichts Widerständiges eigen: Wir wissen ja im Grunde alle, was Liebe ist, scheint jeder Vers hier zu sagen: Ist es nicht schön, dass wir das gleiche fühlen?

Nicht anders als ihr magerer Gehalt lässt auch die Form dieser Gedichte an das gefällige Geklimper bloßen Kunsthandwerks denken. So arbeitet Lentz beispielsweise gerne mit Wiederholungen, was durchaus seinen Reiz haben kann, in „Offene Unruh“ aber eher zu ahnungsvollen Evokationen führt als zu tatsächlich Unruhe stiftenden, verunsichernde Versen: „in einem anderen zustand sein / in einem anderen zustand sein wollen / in einem ausweglosen zustand / ausweglos unzuständig / für den ausweg zuständig sein / in einem zustand“.

Überhaupt klingt hier vieles auswendig gelernt, und manches klingt wie an der Universität: „ich bin dein eingeschriebener text“. Anderes will Aphorismus sein und ist doch nicht weiter als pseudo-poetische Spielerei, Kalenderblattlyrik: „du bist / eine falte / und ich falle / in dich.“ Selten ist einem ein so anbiedernder Gedichtband begegnet. / TOBIAS LEHMKUHL, SZ 19.4.

MICHAEL LENTZ: Offene Unruh. 100 Liebesgedichte. S.Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2010. 176 S., 16,95 Euro.

2 Comments on “126. Anbiedernd

  1. Aber eine wunderbare Lektion, wie Lyrik geschrieben und präsentiert sein muss, um in sämtlichen Feuilletons besprochen zu werden, wie ein Lyrikband auszusehen hat, der sich vermutlich verhältnismäßig gut verkauft.

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  2. Danke, Tobias Lehmkuhl – ich empfand es sehr ähnlich. Da versteckt sich einer. lentz ist kein poet. er ist ein spröder modellbaubastler.

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