140. Sprachforscher und Erfinder

Jan Skudlareks Gedichte kommen ohne Reime aus und brechen grammatikalische Regeln: Sie sind verrätselt, widersetzen sich den gängigen Erwartungen an die Lyrik und entwickeln vielschichtige Szenen des Lebens im 21. Jahrhundert. Das macht den 25-jährigen Westfalen zu einem Ausnahmetalent unter den jungen deutschen Lyrikern. Der gebürtige Hammer wird am 3. September mit dem Westfälischen Förderpreis zum Ernst-Meister-Preis ausgezeichnet. Außerdem ist der GWK-Förderpreisträger und erhielt kürzlich ein Arbeitsstipendium des Landes Nordrhein-Westfalen.

Skudlarek ist ein Sprachforscher und Erfinder: Er sammelt interessante Verse, notiert außergewöhnliche Formulierungen und forscht nach neuen Metaphern – stets auf der Suche nach dem „sprachlichen Kick“, wie er es nennt. / Westfalen heute

67 Comments on “140. Sprachforscher und Erfinder

  1. Pingback: 84. Debatten « Lyrikzeitung & Poetry News

  2. Damit man die Kommentare von rd und rw nicht für Einzelmeinungen hält: mir geht es genauso wie iden beiden.

    Die kollektive Diffamierung („Jetzt“-Clique, Willküren, conradyfähige Lyrik) und das pietätlose Schreiben über einen Toten sprechen für sich selbst.

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  3. mit verlaub, ausdrücke wie „mister trantüte“ sind widerlich und mir einen ordnungsruf wert. mit dem namen von thien tran hast du weißgott ein paar mal zu oft rumgespielt, das hat keinerlei erkentniswert und ist bloß pöbelei, ich will das hier nicht.

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    • ich habe thien persönlich mitte der neunziger im kölner café storch als fürchterliche trantüte erlebt, darum erlaube ich mir diesen begriff empirisch belegbar anzuwenden. nebenbei behandel ich ihn dadurch wie einen LEBENDEN anstatt ihn heilig zu sprechen, DAS ist meine art, die toten dichter NICHT zu vergessen oder gar zu musealisieren sondern sie weiterhin so einzubeziehen, wie ich sie persönlich erlebt habe! auch mit hadayatülltüll würde ich das jederzeit tun, wenn es gilt, seine art von humor zu verteidigen gegen bläde jünger! das andere: bitte, lieber michael, sei so professionell wie immer und gib mir pingback auf die EXAKTEN STELLEN, wo ich „zu viel“ mit dem asiaten „rumgespielt“ hätte. ich bin mir darüber nicht bewußt, habe mich lediglich bemüht, auf SEINE pöbelei achsensymmetrisch zu reagieren…

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      • eure persönlichen gegenseitigen trantütigkeiten interessieren hier auch nicht, laß das, BASTA. – Ich könnte die stellen raussuchen, hab aber jetzt keine lust dazu. ich kann mich da schon auf mein gedächtnis recht gut verlassen – eine andere meinung, auch despektierliche, ist keine pöbelei, wohl aber ein herabsetzendes spiel mit einem namen. lass das einfach.

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    • „(…) blutleer und möchtegernhermetisch wie seine verkrampft-verkopften gedichte (man liefere mir konkrete gegenbeweise, falls ich zu brutal urteile!) (…)

      ES HAT NIE JEMAND EINEN GEGENBEWEIS GEPOSTET !!! WAS SOLL ICH DAVON HALTEN ???

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      • dass man es nicht für nötig gehalten hat, da weiter drauf einzugehen, weil es für sich spricht. da hat dich wohl die trauer ob der vielen toten überwältigt.

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  4. was bitte ist eine „generation“ ? wofür soll der begriff herhalten? und was ist mit „unzulänglichkeit“ gemeint? ich bin jetzt 43, empfinde mich KEINERLEI generation zugehörig und auch NICHT als unzulänglich sondern glückselig begeistert von den möglichkeiten der menschlichen existenz, wirklichkeit zu versprachlichen anstatt nur „muh“ oder „piep“ zu machen!!! schon Kurt Schwitters erkannte das: „… UND ER KANN SOGAR SPRECHEN“ (gemeint war der mensch, ich weiß leider spontan nicht auswendig, in welchem genialen text die stelle vorkommt) – ach ja, noch ein alter beitrag zum unterschied zwischen „esoterisch“ und „hermetisch“, was ja auch leicht verwechselt wird. ERNST MEISTER WAR ESOTERISCH (wirklichkeitselbsterlebend), ABER NICHT HERMETISCH (wirklichkeitverschleiernd)!!! WÄHREND HEIDEGGER HERMETISCH UND NICHT ESOTERISCH WAR: er war „reiner denker“, alte schule. E.Meister ist das lyrische bindeglied zwischen alter (dualistischer) philosophie und neuer (transdualistischer) tuchfühlung, behaupte ich…

    PINGPONGBACK 🙂
    https://lyrikzeitung.com/2010/02/26/165-das-ekstatisch-empirisch-esoterische-moment-der-direkten-dichtung-oder-das-scheinparadoxon-der-julicher-transrealistik-eee-teil-1/

    (…) Bedenkt man die seelische Besessenheit, mit der Malewitsch sein „Schwarzes Quadrat“ entwickelte, oder die Konkrete Poesie ebenso wie manch sprachmagisch inspirierter Dada geradezu zwanghaft versuchten, eine EXISTENZIELLE ESSENZ der sogenannten „Wirklichkeit“ künstlerisch einzufangen, dann erstaunt umso mehr, warum sich eine ganze junge Generation von deutschen Dichtern ideologisch von „esoterischen Ebenen“ abgrenzen muß, um ihren vermeintlichen „Stil“ als Conradi-salonfähig zu legitimieren, der dann allerdings absurderweise vor lauter neologistischen, grammatikalischen und metaphorischen Originalitätsbemühungen derart ins Willkürlich-Hermetische abdriftet (wie z.B. die Tranig naiv-faszinierte Fastfood-Verwertung der Zahl Null zeigt), daß nicht nur der Echtpop-Veteran Brinkmann sondern selbst Celan (der ja ganz offensichtlich bei vielen der Fraktion „Jetzt“ als Vorbild gilt) noch unesoterischer wirken! (…)

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    • wäre mir wichtig, darauf zu antworten, wollte ich vermutlich dieses hier schreiben:

      da du dich mit der gezielten selbstvermarktung so gut auszukennen scheinst (begegne ich dir im netz, zb hier, kommen ständig verweise auf deine website, auf irgendwelche schmal-langen texte, die schätzungsweise gedichte sind. aber hier mag ich mich irren), glaubst du wohl, dass auch alle, die einen indirekten weg zum leser wählen, so handeln wollten. ES IST UNMÖGLICH, anzunehmen, dass die willkürlich-hermetischen – wollten sich thien tran (oh, warte, ist der nicht tot? ups) und andere als solche verstehen -, tatsächlich das wort willkür in einem ursprünglicheren sinne verstehen, also ihre sprache unter kontrolle haben, sie ihnen dabei eine herausforderung an sie selbst wird, sodass sie diesen gedichten immer wieder neu begegnen können. stimmt, alles blender. außer mir.

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      • well well well, ich verweise eben auf seiten, auf die ich mich beziehen KANN, und versuche eben, auf meinen eigenen seiten alles zu verfügung zu stellen, was mir relevant erscheint, so z.b. auch zitate von anderen autoren wie Alan Watts und Kurt Schwitters, die natürlich nur pseudonyme von mir sind 🙂 aber im ERNST: auffällig ist bei ihnen, verehrter rd, daß sie sich ähnlich „zornig“ und „genervt“ provoziert fühlen und mit ähnlichem jargon wie mister trantüte (gott hab ihn selig!) reagieren. auf welche seiten würden sie denn selbst verweisen, wenn sie das, was sie erklären möchten, bei ihnen selbst am schnellsten zu finden ist? oder glauben sie, nur das zitieren von TOTEN BERÜHMTEN ODER FÜR „WICHTIG“ GENOMMENEN AUTOREN sei legitim, um sich kommentare zu zu trauen? mit jedem kommentar setzt man sich doch einer potenziell bösartigen, rufschädigenden reaktion aus, aber es gehört (jedenfalls für mich) mehr mut dazu, sich selbst (incl jener autoren, auf die man gern verweist) zu „vermarkten“, wie sie es nennen, als immer nur den kopf asiatisch höflich vor irgendwelchen vermeintlichen größen zu verneigen. ach, nebenbei: sie kannst mir nicht im netz begegnen, dazu bedarf es ZWEIER personen, die sich ins herz SCHAUEN. well well well, ich habe wohl einen anderen begriff von „begegnung“ als sie, aber ich verzichte jetzt, auf meine eigenen „beweisgedichte“ mit dementsprechenden titeln zu verweisen. wie „begegnet“ man eigentlich GEDICHTEN, na sie wissen schon, diese schmal-langen texte, wie man so germanistisch salopp sagt? ich sehne mich sehr danach, einmal einem SPRECHENDEN GEDICHT zu begegnen, aber ich denke, diese scifi-zukunft der roboter-lyrik ist ferner als meine lebensspanne…

        http://www.stupidedia.org/stupi/Willk%C3%BCr
        Eine Willkür bezeichnet ein antikes Fabelwesen, das aufgrund seiner launischen Handlungsweise heute oft als Synonym für unlogische, freie und aus dem Zusammenhang gerissene Vorgehensweise dient. Besonders bekannt wurde diese Gattung durch die Tetralogie „Die Willküre“ des Romantikers Richard Wagner. (…) Willküren gelten als launisch, unberechenbar und planlos. Sie reiten willkürlich umher (Achtung Doppeldeutigkeit) und verheddern sich öfters in Weidezäunen oder Fischernetzen. Dieses Auftreten lässt sie bei vielen Menschen als verrückt erscheinen, aber Willküren zählen nach antiken Quellen zu den intelligentesten Wesen der Erde. Sie sind Meister Bachelor der Kunstwissenschaften und verstehen es die Chaos-Theorie anzuwenden. Dafür benötigen sie allerdings einen Rechenschieber, den sie im Gepäckträger immer dabei haben. Sich selbst fühlen die Willküren zur Verbreitung des freien Willens, der freien Meinung und des freien Handelns berufen. Sie sehen sich als Vorreiter (schon wieder Doppeldeutigkeit) des modernen Menschen, der ihnen, nach eigener Meinung, in immer mehr Charakterzügen zu gleichen beginnt. Diese revolutionären Gedanken entstammen dem Kopf eines Antikers, der sich schon damals um die Welt von übermorgen kümmern wollte und die Menschen zu manipulieren versuchte.

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      • de toys, polemisch zu antworten bedeutet nicht zwingend, zornig oder wütend zu sein, sich provoziert zu fühlen. ist irgendwie immer das gleiche, der gleiche „verdacht“, wenn man versucht, bissiger zu sein.

        zu den fragen: verneige ich mich höflich vor größen, betreibe ständig name-dropping? hier schonmal sehr forciert gesehen? – okay, das war’s von mir an dieser stelle, auf den rest gehe ich nicht ein.

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      • wer steckt eigentlich hinter dem kürzel? ein realer mensch? wenigstens DER verdacht liegt nahe. aber mich blenden derartige abkürzungen ohne sonnenbrille… naja, vielleicht ist die buchstabenformation „rd“ auch nur ganz einfach ein schmal-langes experimentelles einzeilereinsilber-gedicht? einstein einstein alles muß versteckt sein…

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      • da ist so ein kleines bildchen neben meinen beiträgen. zumindest kann ich es sehen. da kann man zur not nachschauen, wer sich dahinter „versteckt“.

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    • eins nur dazu: es gibt sicher texte, denen man kritilsch gegenübersteht … und das anzumerken, ja, keine frage; außer eben der einen mitunter, der mit wie… warum aber generation einerseits unklar ist, dann eine „ganz junge“ plötzlich benenn- und auch haltbar wird und als beleg der angeblich omnipotenten ‚warstetsbemühtheit‘ ausgerechnet thien trans text herhalten muss (und ja, ich erinnere mich an den zwist bei lyrikmail; reduktion), geht mir nicht auf. ich frage daher mal: war die diskrepanz so nachhaltig oder ist’s schlicht einfacher bzw. am produktiv provokativsten, tran („tranig-naiv-…“) herzunehmen?

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      • durch diese reaktion weiß ich noch immer nicht, was die kommentarin mit dem begriff „generation“ gemeint hat. schade. zum beispiel kenne ich das alter der gierstabilen person nicht, geschweige denn IHRE bezugsgruppe. ich hoffe wenigstens, in meinem eigenen text wurde deutlich, was ICH damit meine? 🙂 auch ich selbst habe mich einmal in einem schmal-langen text zu einer art „generation“ bekannt – erlauben sie mir, auf den link dazu zu verweisen? ich versuche mir in meinen texten rechenschaft über MEINE definitionen von begriffen abzulegen, eine art persönliches lexikon zu schreiben, wenn mir die art der allgemein anerkannten verwendung eines begriffs so mißfällt, daß ich ihn nicht mehr benutzen würde, es sei denn, ich schaffe es, mir eine eigene neue definition zu schaffen. ja doch, das ist eine art AUTISTISCHER ANSPORN zu dichten, um nicht ganz an den vorgegebenen wörtern zu verzweifeln…

        http://poemie.jimdo.com/manifeste/manifest-der-generation-gegenwart-ewigkeit/

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  5. wirklich phantastisch, dieser beinahe komplett männliche club, dem als referenzen auch wieder nur männer einfallen wollen. ich nenn mal kurz die dichternamen, die hier fielen, habe mglw. auch welche vergessen: heine, brecht, hölderlin, gernhardt, stolterfoht, kling, gräf… dichterfürschten voraus!

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  6. wieso keiner? siteviews Montag 561, Dienstag 563, Mittwoch (Veröffentlichung dieses Beitrags) 845, Donnerstag 856. das ist nicht keiner, auch wenn das nicht 800 leute sind, sondern 800 klicks*. ob irgendwas das schreiben verändert? rezensionen? literaturpreise? verrisse? debatten? kann schon sein, aber wie messen? ich finde solche debatten, wenn nicht voriegend gemotzt und gehahnekämpft wird, allemal anregend. seis auch nur für mich (dafür veranstalte ich das ja schließlich, nöch)

    *) gezählt werden von wordpress alle klicks außer meinen

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  7. ist es so, dass solche debatten das schreiben verändern. oder sind es hahnenkämpfe ohne publikum? manchmal denk ich, es geht gar nicht um texte, sonst würde man sich ja um texte kümmern. verständlichkeit als forderung ist genauso unverständlich wie unverständlichkeit als forderung. die welt ist groß und jeder text findet irgendwann den leser, den er verdient. und das ist demokratisch. jeder regierung ihr volk!
    schönes wochenende.
    ach: wnn debatten zu nichts nütze sind, als zur erbauung der debattierenden, kann man sie am telefon führen.

    ps: da und zum glück sieht uns hier keiner.

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    • Lieber Jan,

      ich bin sicher, sie verändern. habve ich, hast Du bei anderen doch schon gemerkt. Namen wären jetzt nicht fair. Bei sich selbst ists immer anders: schwerer zu beobachten. „Wenn die immer as sagen und immer das bei Gedichten herauskommt, dann scheint es sinnlos das zu probieren usw.“ Beeinflusst ja auch: Wo man hinschaut, was man sich ansieht. Oder istd er Prozess der Traditions- oder Neu aufnahme bei Dir zu Ende? Und: Nicht immer laufen die Veränderungen in die Richtung, die einzelne Diskutanten sich wünschen, also im Sinne von Einwirken mags gemeint sein, auch bei mir, aber es ist doch wohl eher alles Drift.

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  8. Lieber Bertram,
    hab vielen Dank für Deinen Beitrag. Ich finde ihn sehr nachvollziehbar. Mit gewissen Dualismen zu hantieren, ist sicher problematisch (abendländisch), dann muß man das Ausgeschlossene immer mal wieder in den Blick nehmen. Ich kann jetzt nicht lang antworten und bin gleich eine Woche ohne Internet. Eins noch, weil Du sagst, wo man auf Verständlichkeit (Nachvollziehbarkeit) setzt, da würden sich die Möglichkeiten verengen. Schreiben (und überhaupt alles Handeln) ist verbunden mit einer Reduktion von Möglichkeiten. Ich muß mich entscheiden (und was man so Entscheiden nennt, ist womöglich auch nur ein sehr diffuser Bewußtseinsprozeß) für das oder das, Metrum oder frei, thematisch gerichtet oder klanglich assoziativ, etc. Ich will versuchen, mich offen zu halten für das, was meiner bisherigen Schreibentwicklung (bedingt durch Lektüre, Kritik, natürlich auch DLL, meiner Freundin usw.) eher fremd ist, habe Kling und Stolterfoht im Regal, und schaue in sie hinein (also in die Bücher, bin ja kein perverser Pathologe). Und tatsächlich ist ja die Gleichzeitigkeit so unterschiedlicher Lyrikpositionen, von Gernhardt bis Kling, Hacks bis Stolterfoht, und so könnte man fortfahren, sehr spannend. Ich probiere dann auch was aus. Am Ende merke ich wieder, in welcher Tradition ich stehe, welche Möglichkeiten mir zur Verfügung stehen, was mir halbwegs liegt. Ich habe eben eine starke Neigung, die Du in dieser Form nicht gutheißen wirst, in Prosa und Lyrik nicht zu kompliziert zu werden, einen Unterhaltungswert anzustreben, der nicht allein den Spezialisten erfreut (mit der Konsequenz, daß ich dann selten den Spezialisten erfreue). Je nachdem wie man schreibt, reduziert man nicht nur die Möglichkeiten, sondern auch das jeweilige Publikum.
    sei herzlich gegrüßt
    Christian

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    • wir brauchen eine poetik der verantwortung und des vertrauens, jungs, und ein vierblättriges kleeblatt, das in jedem buch gepresst wird.
      nennt mich enigma. was ich nicht verstehe, muss erstmal verschlüsselt werden.

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    • Es sieht dann immer so demokratisch aus, wir nehmen alle mit. Aber: Vieles, was viele interessiert, interessiert mich eben nicht. Demokratisch möchte ich als Minderheit auf der Wichtigkeit dieser Dinge bestehen. Es sieht mir immer etwas autoritär aus im gegenzug, Kunst für andere zu machen ( steht ja innerlich immer dahinter „….die nicht so viel verstehen wie ich“). Falls Duis irgendwann siehts. Meine Gedichte sind auch gar nicht so unverständlich, wie ich weiß. Deren Unzugänglichkeit wurde am DLL immer überschätzt, war dann imemr wunderlich, wie guts auf Lesungen funktioniert.

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  9. Lieber Christian,

    irgendwie wird hier in schrecklich Bildern gedacht, wie sie in der Rezeption vorkommen, aber eigentlich nicht recht ausdrücken, was in Gedichten tatsächlich geschieht. Ich gebe Dir in zweierlei Dingen ja Recht: Ja es scheint absichtsvolle „Verdunklung“ zu geben. Das Napoleon-Taipeh Gedicht in Gräfs „Buch vier“ wäre so ein Fall. Man folgt den flirrenenden Mischungen aus Asienbezügen und Feldherrenanspielungen, liest dann hinten, es handele von einer Napolenausstellung in Taipeh und das Gedicht macht eine Bauchlandung als reines Eindruckgedicht (Man könnte mit diesem Material weiter springen). Ich halte aber solche künstliche Verdunkelung für vergleichsweise selten, deswegen taugt sie als „Friedensangebot“ nicht. Auch deswegen, weil sie der rusischen Formalisten Verfremdung, dem Sperrigmachen des Gegenstandes um einen neuen Blick zu schaffen (gib es ja schon im Barock) im Einzelfalle eben zu nahe steht. Selbst die Georgische Verfeinerung müsste man dann ja als künstliche Verdunklung lesen. Ich weiß nicht, wo man dann hinkäme.
    Das zweite Problem, Norbert versucht es anzugehen, es trifft aber nicht bei Dir ein: Wenn man den Raum zwischen Gernhard und Kling aufspannt, dann müssen gereimte Gedichte immer irgendwie verständlicher und heller sein, während auf der anderen Seite die „bösen“ Verfahren der Moderne stehen. Da denkt man immer Bilder dessen, was man an Gedichten kennt, ja mögliche Baupläne mit, die durch das kollektive Unbewußte wabern. Aber man nehme Georg Hoprich: Verslich in Deinem Sinne ein Gernhardianer, man müsste aber sagen: Im Grunde ist Gernhard oft ein laxer Moderner was seinen Versumgang anbetrifft, (das wäre die absurde Konsequenz aus Deinem Bild). Und das gilt nicht nur für den Bildumgang sondern auch für andere klassische (verständliche) Verfahren. Wenn man sich jedoch die krass unzugänglichen Bilder manches Hoprichtextes ansieht, sieht es wieder mehr aus wie Thomas Kling. Man muss den Raum multidimensional denken und nicht eine Reihe verschiedener Baupläne auf ein mehr – weniger Schema pressen.
    Licht – dunkel möchte irgendwie auch so eine Verständlich – Unverständlich Ebene umgehen. Aber es sind wirklich unglückliche Bilder: Man wird kaum leugnen können, dass man von Celan sprechen kann als Dichter: „Licht und kühl wie der Wind einer kommenden Frühe.“ So sehen es jedenfalls reihenweise Leser. (Wie man etwa an Kompositionen zu seinen Texten nachvollziehen kann.)
    Christian, ich glaube der Unterschied ist da, wo er schon öfter auftrat: Es gibt Dichter, die Glauben die Welt im Großen und Ganzen zu kennen und Bescheid zu wissen. Sie sind sprachlich so konstituiert, dass sie selten überrascht werden. Das geht ihnen so, und das ist jetzt ein Verdacht von mir, indem sie sich auch impfen gegen Überraschungen. Ich fürchte, das kann man nur, wenn man eine recht gängige Onthologie und ein recht gängiges Menschbild hat. Es gibt andere, die würden bezweifeln, weil diese gängigen Bilder ihnen eine Zumutung sind.
    Genau wie es dummes Zeug gibt, Gernhardepigonales, ich meine jetzt nicht Jakobs oder so, da kann man ruhig Freude haben an einigem, sondern wirklich dummes Zeug, so gibt es sicher auch pseudomodernes, das tut, als würde es schroff sein und vor unterschwelliger Gängigkeit strotzt. Aber mir ist die Möglichkeit schroff zu sein gegen das Vorhergehende doch so wichtig, dass ich damit diese Möglichkeit nie kleinreden würde. Niemals, niemals!
    Denn es hat sich gezeigt: Wo man auf Verständlichkeit setzt, auf Nachvollziehbarkeit und Regelgeleitetheit, da fangen sich immer an, die Möglichkeiten zu verengen und zu verengen. Der kleinste gemeinsame Nenner beginnt zum Gruppenstil zu werden. Deine Haltung würde auch das Literaturinstitut von dem Du profitiert hast zu einer Rundlutschanstalt von Texten machen. Deine Haltung kommt Dir nur weniger gefährlich vor, weil sie am Literaturinstitut nicht die Regel war und deswegen eine gewisse Offenheit ausstrahlte. Das meine allerdings auch nicht die Regel war hast Du kaum mitbekommen, wo Du sie als gängig empfandest, dann weil Leute sie durchgebracht haben. Gängig war doch irgendwie laue Moderne irgendwie noch verständlich. Das mag daran liegen, dass eine neue Generation von westdeutschen Deutschlehrern die Paradigmen der Moderne inzwischen an der Schule lehrt, während bei Dir und mir im postsozialistischen Deutschunterricht dies immer das Andere war. Auch für Dich scheint die Moderne noch das erklährungsbedürftige Andere zu sein, während Du andererseits richtig konstatierst, dass ein modern geprägter Rechtfertigungsdiskurs heute das Übliche ist. (Ich habe bis ca. 2000 ähnlich argumentiert im Gratz Lyrikkurs, kommt mir heut etwas naiv vor … Radikalisiert habe ich mich erst, als ich für mein Leben eine neue Sprache dringend brauchte. Soll ich sagen aus persönlcihen Gründen? Soll ich sagen objektiv? Da sehe ich ander Leute Versuche in eine radikalere Richtung dann auch mit weniger Mißtrauen.) Außerhalb aber eben nicht. Denke es doch einfach so: Es gibt keine Moderne und keine Tradition: Es gibt nur Modernen und Traditionen. Und es gibt „unverständliche“ „dunkle“ und „lichte“ in allen Lagern. Deine Texte würde ich ja auch nie licht nennen, sondern abgeschattet meist. Und jemand der die Fahne des Alten hochhebt, ein Ausgräber bist Du ja auch nicht gerade … Grüße Bertram

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  10. und bei mir floss das thema in mein heutiges 81.E.S.-poem mit ein 🙂 hier:
    http://poemie.jimdo.com/fotos-bilder/body-beauty/ => ganz runterscrollen!

    ich behaupte, mit diesem liebesgedicht ein WEDER helles NOCH dunkles poem geschrieben zu haben.

    es ist eben „direkte“ (transrealistische) dichtung, da zieht kein dualismus.
    und ich wette, ich bin nicht der einzige, der mit sowas nicht ernst genommen wird, weil es sich den simplen allzu simplen schubladen entzieht, und zwar nicht vorsätzlich sondern weil ich nicht anders schreiben kann, wenn ich selbstehrlich mit der sprache umgehen will. absichtliche anbiederung an irgendwelche kanonisierten richtungen liegen mir fern, ich schreibe nur, um mir selbst rechenschaft über MEIN LEBEN AUF DIESEM PLANET abzulegen. hans arp, yvan goll, walt whitman, ja sogar ernst meister empfinde ich ebenfalls als JENSEITS von hell & dunkel: sie sind TIEF und LEICHT in einem rutsch! ja doch, auch der meister ist rätsellos leicht für den, der solche mystischen ebenen der wahrnehmung selbst kennt. verrätselt und verdunkelt ist nur jene landschaft, die man durch eine zu starke sonnenbrille anschaut, obwohl es ein düsterer herbsttag ist!!! und andersrum kann das gleißende licht einer schneepiste OHNE sonnenbrille so blenden, daß man meint, gott erschiene, oder ein raumschiff landet, oder was auch immer der einzelne mit LICHT verbindet 🙂 HELAAF HELAAF HELAAF

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  11. „aber beiden ging es doch um was im Gedicht“, muß es heißen, die grammatikalische Regel habe ich leider nicht mehr eingehalten

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  12. Hölderlin und Heine, der eine (nach Brecht) pontifikal, der andere profan, der eine dunkler in dem, was er sagt, der andere heller, aber beiden ging es doch was im Gedicht, sie waren um eine Auseinandersetzung bemüht, einer Aussage, was die Gegebenheiten der Welt anbelangt, oder des Denkens. Das Problem, das ich mit manchen Gedichten habe, ist die sprachbastlerische Beliebigkeit, die thematische Diffusität, dieses sinnfreie Abgrasen von Sprachfeldern. Dieses Sprachgeschnatter, das doch semantisch gar nicht mehr gedeutet werden will. Ein Gedicht soll ruhig dunkel sein, wenn ich doch ahne, daß es ihm wirklich um etwas geht, daß es auszudeuten lohnt. Oder es ist hell und albern, verspielt und witzig. Bringt es mich also zum Lachen oder ergreift es mich existentiell. Ich schreibe lichte Gedichte, weil es meinem Denktypus entspricht, es auf den Punkt zu bringen, die Dinge klar zu machen, oder einfach über sie zu lachen. Ich versuche es zumindest. Na jetzt bin ich wieder sehr auf die Reaktionen gespannt.

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  13. Vielleicht klärt Ihr mich mal auf, warum Ihr dunkle/lichte Gedichte schreibt. Zwischen Hölderlin und Heine gibt es sicher noch mehr Gründe dafür? Freundlich in die Runde gefragt.

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    • ich halte es mit pippi langstrumpf und mach, was mir gefällt, witte witte witt, ohne über das mögliche lichte dunkel der gedichte im voraus zu grübeln. oder im nachhinein. meistens rockt das schreiben, ob nun verrätselung beim lesen anzunehmen ist oder eben einfach dasteht, was dasteht. / grüße.

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      • eben. das hara kennt keinen hurz. das hara ist immer das hara von sich selbst aus betrachtet, von innen, tief innen, ganz tief innen. von aussen ist immer anders. dagegen hilft kein germanistischer dualismus 🙂

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  14. zur aufhellung der „verdunklung“ zwei weitere wolkenlose fundstücke (entnommen von http://www.angekOMmene.de), die womöglich für jene antiquiert & anachronistisch anmuten, die ihre ANGST VOR DER UREIGENEN HOLZ“HAMMER“METHODE MIT HEILIGGESPROCHENEN HURZHANDSCHUHEN pflegen – hurz oder hara ist die große frage…

    „Das Gedicht weiß, wie sehr menschliche Beziehung lenkbar und überlagerbar ist, eingekreist von alter Herkunft wie von organisierter ‚Gegenwart‘, die sogar noch Liebesbeziehung in ihre Planung einbezieht. (…) Die Zurücknahme jeder Direktheit – aus Unsicherheit, Geduld, Resignation, aus Beunruhigung entstanden – gibt Aussprachemöglichkeiten, die auf direktem Wege unerträglich geworden sind. (…) Es liegt auf der Hand, daß bei Vertretern einer das Gegenständliche und Thematische abstrahierenden Lyrik für das Liebesgedicht kein Raum ist. Der Stroff hat sich so weit aus diesen Texten zurückgezogen, daß stoffliche Wahrnehmungen bestenfalls auf ein Minimum reduziert erscheinen. (…) Der einstigen Ich-Du-Beziehung wird jedenfalls auf diese Weise ausgewichen. Sie sinkt zu einer schattenhaften Konstellation ab, bekommt etwas unmerklich Gespenstisches, Entferntes, Undeutliches, Wunderliches, nicht ganz Geheures. (…) Das übersensibilisierte Wort verfällt einer Schwäche, die in Agonie übergehen kann. In der Liebeslyrik bewegt sich die Grenze zum Schweigen, zum Verstummen hin in anderer Richtung. Sie hat mehr mit Diskretion, mit Distanz mittels Diskretion als mit der eigentlichen Aufhebung der Wortexistenz mittels Buchstabenzerfall zu tun, wie das bei der konkreten Poesie unserer Tage [1961] oft genug zu beobachten ist. (…) Individualität, lyrisches Ich oder wie wir es bezeichnen wollen, wird gerade im Liebesgedicht als letztes ausgerottet sein. Das macht es schließlich für manche zum Monstrum. Aber manchen gilt es gerade deshalb als Inbegriff dessen, was allem rapiden Gestaltwandel zum Trotz, ihrer Hoffnung ‚Nahrung gibt, daß das Gedicht auch weiter überlebe.“
    Karl Krolow, in: ASPEKTE ZEITGENÖSSISCHER DEUTSCHER LYRIK, aus der 3.Vorlesung als Gastdozent für Poetik an der Universität Frankfurt im Wintersemester 1960/61 (DIE BESCHAFFENHEIT DES MODERNEN LIEBESGEDICHTS)

    MEIN EIGENES 80.JUBILÄUMS-E.S.-LIEBESGEDICHT „AUFERSTANDENE“ (GEMÄSS DER POETOLOGIE EINER „ERWEITERTEN SACHLICHKEIT“) IST NUN ONLINE GARNIERT VON VENEZIANISCHEN ANSICHTEN:
    http://poemie.jimdo.com/fotos-bilder/venedig/
    IN ZWEI VERSIONEN: AB 10 UND AB 18 JAHRE – DAS JEWEILIGE WORT MUSS VOM LESER ALTERSGEMÄSS SELBST GESCHWÄRZT WERDEN!!! 🙂

    „Die Zeit ist gekommen, da der Mensch im Menschen aufsteht. Sein Ganzheitsgewissen erwacht. Er beginnt wieder die Seiten seines Menschseins zu fühlen und zuzulassen, die unter den herrschenden Umständen nicht leben durften: das Weibliche im Menschen (im Mann nicht weniger als in der Frau), das in dieser mann-männlichen Welt keinen Platz hat, die Individualität des Einzelnen, die in einer versachlichten, organisierten Welt ’stört‘, vor allem aber das WESEN, d.h. die Weise, in der das Sein im Menschen als sein eigentlicher Kern ans Licht drängt. Aber nur in dem Maße, als der Mensch leibhaftig zu seiner Erdmitte hinfindet, wird das Verdrängte wirklich neu zu leben vermögen.“
    Karlfried Graf Dürckheim, in: ‚HARA – DIE ERDMITTE DES MENSCHEN‘ (1967/2005)

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  15. die preisrichter stützen sich bei ihrer formulierung auf die gleiche billige opposition wie kreis. aus solcher schlichten sicht sieht man nichts als was man schon im kopf hatte, klischees. ressentiment statt unterscheidenwollen. das ist für eine preisbegründung vielleicht okay – man hofft, daß es vorher in der diskussion konkreteres pro und contra gab, das leider nicht veröffentlicht wird. (in meiner juryerfahrung fielen 3 von 4 runden denkbar knapp 4:3 aus. und ob es da unterschiedliche meinungen gab! veröffentlicht wird dann natürlich nur die siegreiche.)

    auch für polemik taugt das holzschnittartige manchmal. und wenn man sagen will, daß einem die ganze richtung nicht paßt. das machen viele verschiedene szenen aus unterschiedlichen motiven. die dresdner ganz rechte „blaue narzisse“ etwa, wenn sie die „guten“, (das sind dort meist die mit den „festen reimen“, keine übertreibung, und der guten gesinnung, ob reimtreu oder volkstreu oder beides) gegen den ganzen dekadenten rest. oder slam vs. lyrikszene, oder regionale gegen zentrale. oder wie bei gernhardt „heitere“ gegen „ernste“, U gegen E. manchmal beruft man sich da auch auf generationen, oder regionen / zentren.

    das gibt viele verschiedene gründe, ein gedicht / einen dichter / eine anthologie abzulehnen. aber, ich sach ma UNTER UNS, könnte man versuchen zu unterscheiden. da sind die klischees und die einfachen antworten fürn arsch, sach ich ma.

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  16. lieber christian kreis, wenn ich mir diese ästhetische position auf andere künste angewendet vorstelle – ist nicht ernst gemeint, oder?
    der vorwurf der verdunkelung ist doch ebenso in der musik und der malerei so alt und so pauschal und so erstickend, daß kaum noch zu erkennen ist, wogegen er sich immer noch wendet: unsinn. atonaler bahnhof! entgleister informel! der aber (der unsinn) geht doch, anders als der vorwurf es sich vorstellen will, nicht allem voraus, sondern wird mit jedem vers neu gemacht: als sinn. wir stellen doch nüscht anderes als sinn her und machen damit die welt lesbar. welcher art ist denn die verständlichkeit, wenn sie der maßstab für das unverständliche sein soll? schwerkraft? daß 1+1 gleich 2? der zug zurück ist doch längst abgefahren!

    jetzt beginnen die mühen der bedeutungsebenen.

    ach, wat reg ich mich hier eigentlich auf – das ist doch eigentlich ganz herrlich unhistorisch und undialektisch gedacht. ich frage mich lediglich, wo da die neugier bleibt, die den leser, hörer, betrachter antreibt, der hunger auf den ganz anderen blick, die differenz. ich fürchte, auf der strecke der konventionen.

    aber hat schon jemand erwähnt, daß wieder einmal ein gedicht besser ist als manche von ihm losgetretene kommentare? dann sei’s hiermit getan. real presences! „diese leerstehenden häuser dort / wie ausgeblutete tiere.“: schöner abraum. gernhardt hätt’s nicht stehen lassen können. und eine gereimte konservenbüchse draus recycelt. sinnfällig gemacht.

    różewicz’ vers hab ich bis heute nicht verstanden. ein schönes letztes streichholz.

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    • nicht verstanden? darauf fallen mir 2 antworten ein, a) was gibts da nicht zu verstehen?, b) ist das nicht gerade das gute daran? – wahrscheinlich meinten sie genau das. – (immerhin fallen in dem gedicht gleich am anfang die nicht widerspruchsfreien worte selbstironie und aporie)
      für nachleser: tadeusz różewicz: letztendlich ist die verständliche lyrik unverständlich. späte und frühe gedichte. hanser 1996*, s.17ff

      und, ja, auch ich fand das gedicht besser als die preisbegründung.

      *) ich weiß, 2011 muß das die jüngeren schon prähistorisch anmuten! und ich kann ja nichts dafür, hab den różewicz schon 68 oder 69 gelesen. war ein hammer, für mich.

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    • Aus: Robert Gernhart, Texte zur Poetik, S. 43
      „Das Gütesiegel ‚Hammerzeilen‘ fiel bereits, hier spätestens sollte auch der Qualitätsbegriff ‚Lyrik-Hammer‘, wahlweise ‚Lyrik-Hit‘, eingeführt und zum Postulat erhoben werden…“

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    • lieber herr gratz, ich finde mal wieder nicht den richtigen button:
      und muß zugeben ich habe das jahrbuch nicht und kenne nur zitate und meine eigene ereiferung über dieses zitat. der nachsatz „das Nichtverstehen praktisch nachvollziehen und dann womöglich doch etwas begreifen“ ist vollkommen unterschreibbar, es trifft sich mit diesem satz “ das dunkel aufsuchen und uns auch dort „verstehen“, also hinstellen und da sein, so wie man es gerade kann, das hat dann eher mit anwesenheit zu tun.“
      „eine poetik der verantwortung und des vertrauens“ – habe ich bei jan kuhbrodt gelesen. auch das passt. wenn es um gegenwärtigkeit geht, in der das „verstehen“ irgendwie ausfällt und es ist doch wirklich unerheblich ob das gereimt oder sonstwie daherkommt.

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  17. ach, der bizarrste satz ist doch : ‚das macht den 25-jährigen westfalen zu einem ausnahmetalent unter den jungen deutschen lyrikern‘, denn wenn er wegen dem, was so davor steht, die ausnahme ist, dann seid ihr mit euren die gängigen erwartungen erfüllenden reimgedichten die regel, oder?

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    • lieber konstantin ames – sie haben recht: „ein miteinander von hell und experimentell, traditionell und dunkel, kommunikativ und hermetisch, flach und tief“ ist ein absolut rassistischer Kontext und wir brauchen engel auf der erde die selbstlos die unfähigkeit anderer öffentlich korrigieren helfen. sie haben recht: herr stolterfoht beschimpft herrn kreis nicht etc etc., das hat auch niemand behauptet, aber er hebt ihn auf eine stufe mit dem sprachgenie cem özdemir, er klebt ihm quasi dessen durchrassung an die backe.
      und sie haben noch mehr recht:: egoman und aufmerksamkeitsgeil sind so viele im betrieb. das gebe ich für mich gerne offen zu – manche sätze habe ich in vergangenheit hierhin gestellt um reaktionen zu erzielen, oder einfach auch nur klicks für die webseite, an der ich mitarbeite. herr gratz übrigens wählt auch immer sehr bewußt sätze aus, die möglichst wahrgenommen werden und zu mehr klicks für seine seite führen. selbst wenn 800 klicks am ende wohl doch nur die szene-200 sind, die dann viermal am tag hinklicken, ob es neues in der debatte gibt. aufmerksamkeitsstrategie ist auch in gedichten enthalten, die ganz bewußt dinge anders sagen, als man es bislang kennt. ich kenne das auch aus der arbeit an meinen eigenen texten.
      das lagerdenken ist glaube ich nicht in dem satz von christian kreis vorhanden, der sich ein miteinander wünscht. das lagerdenken ist eher in parolen zuhause, wie wir sie in der vergangenheit z.B. von ulf stolterfoht lesen durften. „das verstehen hat den teufel gesehen“ etc. und genau da sollten wir weg. das verstehen sollte man nicht dem teufel überlassen. eher – da bin ich bei betram (dem man immer wieder für seine guten ausgleichenden beiträge danken muß!) – das dunkel aufsuchen und uns auch dort „verstehen“, also hinstellen und da sein, so wie man es gerade kann, das hat dann eher mit anwesenheit zu tun.

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      • lieber herr milautzcki, ich weiß, es ist ein steckenpferd von ihnen. aber ich verstehe nicht, was daran so anstößig sein soll, wenn „das verstehen den teufel“ sieht. ich glaube, das heißt aufklärung, aber ich kann mich irren. genaugenommen sagt das stolterfoht ja auch nicht, sondern zumindest grammatisch etwa das gegenteil: „Das Verstehen in der Lyrik hat der Teufel gesehen!“ so stehts in seinem nachsatz zum lyrikjahrbuch, und dieser satz scheint einige mächtig zu erregen. hätten sie doch weitergelesen. wenige sätze weiter steht doch: „das Nichtverstehen praktisch nachvollziehen und dann womöglich doch etwas begreifen“. ungefähr das sagt ames über stolterfoht, wenn ich es richtig verstehe.

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  18. Lieber Konstantin: Von „lahm“ habe ich nicht gesprochen. Wer wollte bestreiten, daß es großartige „dunkle“, metaphorisch undurchsichtige, hermetische Gedichte gibt (und die ich zuweilen auch sehr mag, zum Beispiel von Hilbig). Was mir auffällt (und das ist jetzt nicht die neueste Entdeckung), daß die große Masse der in den relevanten Anthologien veröffentlichten Gedichte auf die etablierte „Moderne Art“ gemacht sind, also verrätselt und möglichst undurchsichtig, oder das Sprachmaterial deformierend und auf möglichst ungewöhnliche Weise zusammenfügend, womit ich diese Machart nicht herabwürdigen will, wie gesagt, das kann gut oder schlecht gemacht sein (Ein Effekt gibt es: verständliche Lyrik entlarvt sich schneller, wenn sie schlecht ist. Gedichte, bei denen man beim ersten Lesen Bahnhof versteht, erzielen trotzdem erst mal einen Achtungserfolg, der ihnen auch gegönnt sei, bei näherer Betrachtung erkennt man erst den Schmus) Ich wünschte mir eine stärkere Durchmischung der Anthologien, ein miteinander von hell und experimentell, traditionell und dunkel, kommunikativ und hermetisch, flach und tief. Damit es nicht zu versöhnlich endet: Problematisch finde ich ein Gedicht dann, wenn es mutwillig verdunkelt wurde, obwohl sein Gehalt, bei genauerer Kenntnis der Anspielungen, sehr durchsichtig und klar wird. Hätte gleich klar sein können. Dann frage ich mich natürlich, ob mir der Lyriker zeigen wollte, wie doof ich bin. Robert Gernhardt hat diese Tendenz (in seinen Texten zur Poetik) an einem Gedicht von Dieter M. Gräf aufgezeigt.

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    • lieber christian,

      vielleicht fang ich schon an zu spinnen, aber
      wenn ich das wort „durchmischung“ lese,
      muß ich sofort an ein anderes wort denken,
      und der modus des wünschens macht es
      besonders perfide – etwa so, wie wenn cem
      özdemir forderte: „ich würde mir eine stärkere
      durchrassung der deutschen familien wünschen!“
      guter wunsch, scheiße formuliert.
      gruß, ulf

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      • Lieber Ulf,
        bevor ich, ohne meine Kenntnis, in die Reichslyrikkammer aufgenommen werde (oder rausgeworfen?), möchte ich dieses Wort, das ich nun nicht mehr in den Mund nehme, lieber ersetzen durch:
        Durchquirlung
        Durchmixung
        Durchmengung
        Durchfleischwolfung (womit keine Assoziationen an Werwölfe, Wolfsburg etc.)
        Durchrührung
        oder besser Diffusion
        Und so weiter.
        herzlich/ Christian

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      • iiiiih, was ein fieser trick dem christian kreis seine durchmischung einzufärben. das wort steht in einem eindeutigen kontext – es kann dort bleiben und muß nicht herausgelöst und herumgezeigt werden. dann stellt man ihm noch die sprachliche unfähigkeit eines politikers an die seite und schon hat man dem arglosen kreis was an revers geheftet. das ist perfide.

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    • Lieber Christian, das scheint mir ein wenig Humbug: ein Gedicht, das „mutwillig verdunkelt wurde“. Der Anwurf ist nicht neu, und hat wohl auch da und dort Vertreter, mag sein, letztlich besteht vielleicht auch eine Arroganz darin, sich eine ‚eigene‘ Sprache zu suchen, wie die auch immer beschaffen sei. Aber wenn man so herangeht, könnte auch wer kommen und sagen: dieser Autor würdigt mich als Leser herab, weil er Gedichte schreibt und nicht (klare) Prosa. Nur am Rande.

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      • Lieber Ron, das ist richtig, dieser Anwurf ist nicht neu. Und er soll auch nicht als Generalverdacht gegen Lyrik gelten. Mutwillige Verdunkelung ist aber im Einzelfall feststellbar. Gernhardt nimmt sich ein Gedicht von Gräf vor und zeigt, daß das Kryptische dieser Zeilen nicht der Sprachmagie und dem metaphorischen Vorwärtstasten ins „Unbekannte“ oder einem experimentellen Spiel zuzurechnen ist. Das Gedicht ist, wenn man als Leser nur die paar Informationen bekommt, die der Lyriker hatte, vollkommen entschlüsselbar. (Nachzulesen in: Texte zur Poetik,Simon who?). Sein klanglicher Mehrwert auch nicht groß.
        Diese Debatte hier hat sich übrigens nicht an Jan Skudlareks Gedicht aufgehängt, sondern an der ulkigen Jurybegründung („brechen grammatikalische Regeln: Sie sind verrätselt, widersetzen sich den gängigen Erwartungen an die Lyrik). Wie gesagt, das ist die grobe Beschreibung dessen, was ein Teil der Lyrik seit ca. 130 Jahren versucht. Das sagt nichts Genaues über die Gedichte Skudlareks. Und natürlich, geht es mir manchmal auf die Nerven, wenn das brechen von Regel oder Syntax, Schreibweise etc. primär als Gütesiegel von „moderner Lyrik“ benannt wird. Nach dem Motto: wehe du verwendest Metrum und Reim, oder schreibst klar, oder komisch; alles von vorgestern. Zwischen Kling und Gernhardt ist viel Spielraum, ok, das mußte fast nicht gesagt werden. Ich sags trotzdem mal.

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      • wenn ich mal kurz korinthen darf: das „ulkige“ ist keine jurybegründung, sondern der sprech des artikels in „westfalen heute“. und wo ‚wehe dir, wenn‘, ‚wider die klarheit‘ und vermeintliche ‚gütesiegel‘ ansonsten festgeschrieben sein sollen, weiß ich nicht genau, aber ich bekomme so langsam blumenkohlohren davon. wenn, so sind’s doch höchstens fassversuche, wie oben, um- oder abrisse von gedichten, die in diesem ton immer mal wieder in zeitungen aufpoppen. und das vielleicht gerade, wenn versucht wird, ein (unbekanntes) dichtes schreiben von einem gemeinsamen nenner aus journalistisch abzugreifen. das ist jedoch dann weder dogma, noch ist es stigma.

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      • Lieber Frank Milautzcki!

        Im Kontext der von Christian Kreis erwähnten „hellen“ Schreibweisen, steht das Wort „Durchmischung“ tatsächlich in einem rassischen Kontext. Ein politischer Dichter, der Ulf Stolterfoht ist – Ihrer unumstößlich anderslautenden Meinung zum Trotz – hat für so etwas ein sensibles Ohr.

        Lagerdenken nervt Stolterfoht; Ulf ist einer der umgänglichsten und allürefreisten Menschen, die ich im deutschsprachigen Literaturbetrieb, an Egomanen und verantwortungslosen Aufmerksamkeitsstrategen nicht eben arm, kennenlernen durften. Lesen Sie bitte nochmal genau nach: Ulf Stolterfoht schreibt etwas von der unglücklichen („scheiße“) Formulierung von Christian Kreis; er beschimpft ihn nicht als Rassist und schiebt ihn auch in keine Ecke oder flickt ihm am Zeug oder heftet ihm etwas ans Revers; hielte Stolterfoht Kreis tatsächlich für einen Faschisten, würde er nicht auf ihn reagieren; zum ersten Mal überhaupt in diesem Forum etwas kommentieren.

        Das hat alles nichts mit Perfidie zu tun, wie Sie es hier unterstellen.

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      • „Als er [= Mallarmé] von einem Journalisten ungeduldig um die Aushändigung eines Manuskripts gebeten wurde, antwortete er: ‚Warten Sie wenigstens, bis ich noch ein bißchen Dunkelheit angebracht habe.'“ (Hugo Friedrich: Die Struktur der modernen Lyrik, S. 120 in meiner rororo-Taschenbuchausgabe von 1985)

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    • Haben wir gerade bei Ferlinghetti gefunden: Poetry is a bright vision made dark, a darkling vision made bright.
      Was jetzt nichts heißen muss, aber dastehen kann.
      Viel in den manifestativen Aussagen von LF ist einfach Rhetorik (die aber dem Wahren Schönen Guten dienen will und einfach auch frisch ist).
      Siehe: Poetry is a precession of waterbirds in flight mixed with motor accidents.
      Aha.

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  19. noch so ein HURZ-lyriker für den braven, andächtigen applaus (mit DREI händen)… forsches forschen frischer frösche 🙂 schick genug für intellektuelle omas. apropos: hier ein paar jungsenioren-lyrikleser beim erstaunlichen versuch, ein unglaublich „kompliziertes“ gedicht zu enträtseln: http://www.giga.de/forum/literatur/883236-%DCberwandler.html das ist zwar schon was älter und mancher hats vielleicht schon gesehen, aber es paßt hier einfach mal wieder perfekt hin! man schreibt als anti-hurz-lyriker „vor dir selbst“ so einfach man kann, aber es wäre naiv zu hoffen, jemand verstünde die eigene art von einfachheit! das geheimnisse-benötigen (um vor sich selbst als teil der anderen auch ein anderer zu sein) ist eine lange menschliche geschichte, das hurz ist nur ein synonym für gott und jede kryptische metapher, die den LYRISCHEN AUTISMUS überhöht. helaaf!!!!

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  20. Fragt sich nur, warum es Leser für Gedichte gibt, die Christian Kreis für unkommunikativ, dunkel und lahm hält …

    Und dann gibt es da Menschen, die so ein (kreishinsichtlich) unkommunikatives, dunkles und lahmes Zeug verlegen …

    Hat Robert Gernhardt selig nicht auch mal das Lyrikjahrbuch mitherausgegeben …

    Ist „der“ Leser nur eine Zielscheibe für die Treffsicherheit eines gewitzigten Autors …

    Oder so: ist die Lektüre von Gedichten dem Kegeln vergleichbar: Alle 9e …

    Gibt es Lektüreerfolge? Ja, für diejenigen, die Kunstrezeption mit den Kategorien Erfolg und Leistungsfähigkeit in Verbindung zu bringen in der Lage sind.

    Alles furchtbar einfach: sind Gedichte „hell“, „kommunikativ“, „schnell“ oder machen sie „jung und an“: sind sie gut; sonst nicht.

    Ich verneige meinen kleinen Finger.

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    • Robert Gernhardt war 1993 Mitherausgeber des Jahrbuchs. Wie man Theo Breuers Porträt „Jahrbuch der Lyrik 1979 – 2011“ (Poetenladen) entnehmen kann, war er in 13 Jahrbüchern vertreten.

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  21. stimmt (ich meine die omapersp.). obs was macht? kommt drauf an. warum bejammern was man nicht ändern kann. man könnte die jury kritisieren. ihr wahrnehmungsvermögen? oder ihre formulierungskünste?
    zu christian kreis: bei „verständlichen“ gedichten, solchen mit metrum und reim ist es mindestens genauso schwer wie bei denen ohne, gelungene zu finden. ist ja nicht so, daß es „solche“ anthologien nicht gab u. gibt. gibt einfach mehr gereimte, also auch mehr schlechte gereimte. (daß es keine „hellen“, keine „schnellen“ gedichte im viertelhundert lyrikjahrbücher gibt, wird mancher auch bezweifeln.)

    jemand, den man nicht mit fug verdächtigen kann, der wirklich viele schnelle, helle, kommunikative gedichte geschrieben hat, wenn auch nicht mit metrik und reim, ist der pole tadeusz różewicz. der sieht das differenzierter: „letztendlich ist die verständliche lyrik unverständlich“.

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  22. „der gebürtige Hammer“ 🙂 – das mit den „gängigen erwartungen an die lyrik“ ist freilich wirklich aus oma-perspektive geschrieben. naja, macht nichts, oder?

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  23. daraus folgt dann auch, daß man nach Gernhardt wieder verrätseln mußte. wie sähe sonst das lyrikjahrbuch aus? von petersdorff und seine schüler…?

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    • Na ja, das Lyrikjahrbuch scheint mir kaum in Gefahr (bzw. jemals in Gefahr gewesen) zu sein, von hellen und schnellen, witzigen und kommunikativen Gedichten geentert zu werden.

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  24. „Jan Skudlareks Gedichte kommen ohne Reime aus und brechen grammatikalische Regeln: Sie sind verrätselt, widersetzen sich den gängigen Erwartungen an die Lyrik…“, seit Rimbaud und Mallarmé wiedersetzt sich die sog. moderne Lyrik (im Sinne Hugo Friedrichs) den gängigen Erwartungen an die Lyrik, daß man schon gar nichts anderes mehr erwartet. Der Traditionsbruch wird zur Tradition. Robert Gernhardts Gedichte, die kommunikativ und verständlich sind, mit Metrum und Reim, sind dagegen geradezu anstößig.

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