Kategorie: Frankreich

Verfluchte deutsche Schreckensgedanken

Wie viel von Unsern,
Wie viel von Euern
Sterben noch,
Damit Ihr hört
Auf unsre Stimme,
Auf unsre tote,
Rächende Stimme?
Die Stimme von Wilno,
Die Stimme von Warschau,
Die Stimme vom Ghetto,
Das Ihr gestürmt.
Mit Tanks und Bomben,
Mit Donner und Feuer,
Mit Braun-Kolonnen
Habt Ihr gestürmt
Die letzten Juden,
Die sich verteidigt
Fast ohne Waffen
In wilden Schlachten,
Die letzten Kämpfer
Habt Ihr erwürgt.

Magie in Knittelversen

Mög‘ es fröhlichen Knittelversen gelingen,
Alle Menschenherzen damit zu durchdringen,
Um die allgemeine Wohlfahrt heiter herbeizuzwingen!

Die Geheimen Botschaften von Erik Satie

die poesie glaubt man novalis
ist ziemlich blau blüht der
enzian singen die vom berg
wenn das glas leer ist enden
auch die verse.

Grabinschriften

Die Straßenhändler sind nach Mexiko ausgewandert
Alter Boxer du bist dort gestorben
Du weißt nicht einmal warum
Du hast lauter geschrien als wir in den Palästen Amerikas
und in allen Pariser Kneipen

Caspar Hauser Lied

O lebe ich zu früh, zu spät?
Was soll ich in der Welt beginnen?
Mein Alles muss in Pein verrinnen;
O sprecht für Kaspar ein Gebet!

Mühelose Schönheit

Ich bin gealtert aber hier bin ich schön
Und der sinkende Schatten aus tiefen Fenstern
Verschont jeden Abend das schwarze Herz meiner Augen.

Je suis vieille mais ici je suis belle
Et l’ombre qui descend des fenêtres profondes
Epargne chaque soir le cœur noir de mes veux.

Besseres gesehn

Nicht gesehn den Kometen
Nicht gesehn den schönen Stern
All das nicht gesehn

Pas vu la comète
Pas vu la belle étoile
Pas vu tout ça

Zum 100. Todestag von Erik Satie (1866–1925)

Hier bringt der Dichter seine ganze Hingabe und Konzentration zum Ausdruck. Er zweifelt an seinen eigenen Fähigkeiten und offenbart große Angst.

O meine Zizi

Deine kleinen Füße auf meinen großen Brüsten

Am Monmerte

Gemeiner Herkunft bin ich zwar,
Mein Vater bloß ein Säufer war
Der Rue Berthe.
Doch hausen seit ’ner Ewigkeit
Ich und die Meinen ohne Streit
Am Montmerte.

Jacques Roubaud 1932-2024

Die wahren Liebhaber gehen
um die Mona Lisa zu sehen
nicht ans Ende der Welt
nicht einmal in den Louvre

Breyten Breytenbach gestorben

wenn du an dein Land denkst
siehst du
Flechten und eine Brille; einen alten Hund voller Blut;
und ein Pferd ersoffen im Fluß

Blümerant

Es ist einfach, was die Überschrift ankündigt, ein Geburtstagsblaublau.

GEBET, DASS EIN KIND NICHT STERBE

Mein Gott, erhalte seinen Eltern dieses zarte Kind,
Wie du wohl auch ein Kraut erhältst im bösen Wind.
Was macht es dir denn aus – da doch die Mutter weint und fleht

Der serbische Olymp oder Dreifachdada

kerze schämt sich auf dem alpenkamm
herzen brechen gong kanal und lamm
platon holt noch mit dem kirchturm aus
blatt und ei und regen singen rund