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Tadeusz Borowski
(* 12. November 1922 in Schytomyr; † 3. Juli 1951 in Warschau)
Und dennoch, über verbissene Worte wie über einen gerodeten Pfad werd ich mich kämpfen, bis meine wahre Dichtkunst sich wiedergefunden hat. Als wär ich todkrank gewesen, muß neu ich die Welt beginnen, jede Gestalt neu erlernen, neue Wortgefüge ersinnen. Wer schreit nach diesem schrecklichen Krieg Agitpropverse auf den Plätzen herum! Ich werde ruhig und leise sprechen. Ich überlebte. Die Toten sind stumm. Mit den Augen geradeaus in die Welt sehn, tief Atem holen mit der Brust eines Menschen, der lang wie mit einem Freund mit dem Tode zu leben gewußt.
Deutsch von Annemarie Bostroem, aus: Polnische Lyrik aus fünf Jahrzehnten. Hrsg. Henryk Bereska und Heinrich Olschowsky. Berlin u. Weimar: Aufbau, 1975, S. 208
Der polnische Lyriker Tadeusz Borowski wurde heute vor 100 Jahren in Shitomir (Schytomyr) geboren, einer Stadt in der damaligen Sowjetunion und in der heutigen Ukraine mit einer polnischen Minderheit (1862: 3 katholische und mehrere griechische Kirchen). Aus der Biografie bei Wikipedia: „Seine Mutter Teofila, geborene Karpińska (1897–1993), und sein Vater Stanisław (1890–1966) stammten aus Bauernfamilien in der Ukraine. Sie heirateten 1917 in Shytomyr. Sie hatten zwei Söhne, Juliusz und Tadeusz. Stanisław arbeitete als Buchhalter in einer Genossenschaft für Imkerei und Gartenbau. 1926 kam er ins Gefängnis, weil er vor dem Ersten Weltkrieg ein Mitglied der POW, Polska Organizacja Wojskowa (Polnische Militärorganisation), gewesen war. Er wurde nach Karelien deportiert, wo er beim Bau des Weißmeer-Ostsee-Kanals mitarbeiten musste. Teofila, eine Schneiderin, wurde nach Sibirien deportiert, nach Igarka bei Jenisseisk. 1932 tauschten die Sowjets Stanislaw gegen in Polen inhaftierte Kommunisten aus. (…) Während des Zweiten Weltkriegs machte Tadeusz 1940 im deutsch besetzten Warschau an einem geheimen Untergrundgymnasium sein Abitur und begann an der gleichfalls geheimen Warschauer Untergrunduniversität ein Studium der Polonistik. (…) Im Jahr 1943 wurde Borowski verhaftet und ins KZ Auschwitz-Birkenau deportiert. Nachdem er sich als Zwangsarbeiter eine Lungenentzündung zugezogen hatte, arbeitete er als Sanitäter im Lagerkrankenhaus. Borowski wurde Zeuge, wie Neuankömmlinge aufgefordert wurden, ihre Sachen zurückzulassen, um daraufhin in die Gaskammern geschickt zu werden. Er wurde 1944 in das Konzentrationslager Dautmergen (ein Außenlager des KZ Natzweiler-Struthof bei Balingen) bzw. später nach Dachau verlegt und dort am 1. Mai 1945 von amerikanischen Soldaten befreit. (…) Am 1. Juli 1951, fünf Tage nach der Geburt seiner Tochter Małgorzata, unternahm er einen Selbstmordversuch, an dessen Folgen er am 3. Juli 1951 im Alter von 28 Jahren starb.“
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