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Veröffentlicht am 16. Dezember 2020 von lyrikzeitung
Wassily Kandinsky
(* 4. Dezember jul./ 16. Dezember greg. in Moskau; † 13. Dezember 1944 in Neuilly-sur-Seine, Frankreich)
FALSCH HANDELN
Ich saß und wartete auf zwei Frauen und einen Mann. Ich saß auf Ziegelsteinen, die (ich wusste es) für Käfige gebraucht werden. Vor mir war das niedere Gebäude mit vielen Tieren darin und fetten Schlangen, die ihre Zunge zeigten. Ich saß und guckte auf die kleine Tür, über der ein Schild hing: „Ausgang“. Ich saß und wartete auf eine Frau, die grünlichgelb war, auf eine Frau, die blau war, auf einen Mann, der lange graue Beine hatte und viel Blau im Gesicht. Viele Frauen und viele Männer kamen heraus. Es waren aber lauter falsche für mich und richtige für andere. Ich wartete aber auf die, die für mich richtig waren und für andere falsch. Und sie kamen, aber von der falschen Seite. Es kommt immer so, wenn man statt durch die Tür, über der ein Schild „Ausgang“ hängt, durch die Tür geht, über der ein Schild „Eingang“ hängt. So falsch können richtige Menschen handeln … Ich war froh, die Ziegelsteine loszuwerden, aus denen man Käfige baut.
Aus dem Russischen von Alexander Filyuka. In: Wassily Kandinsky, Vergessenes Oval. Gedichte aus dem Nachlaß. Verlagshaus Berlin, 2016, S. 15
Kategorie: Rußland, RussischSchlagworte: Alexander Filyuta, Wassily Kandinsky
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