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Veröffentlicht am 25. November 2020 von lyrikzeitung
Georg Kaiser
(* 25. November 1878 in Magdeburg; † 4. Juni 1945 in Ascona)
Flehruf
Nicht, mächt’ger Schöpfer, lasse so geschehn,
Wenn du zerfallne Formen wandelnd richtest.
Daß Mensch ich wieder. Dies mein Sterbeflehn,
Bevor du jetzt mich odemlos vernichtest.
Mach mich zum Baum, den bald der Beilhieb fällt.
Zur Ratte in dem gift’gen Maul der Schlange.
Zum Fuchs, der sich im Eisen heiser bellt.
Zum Lamm, verzuckend in des Wolfes Fange.
Mach mich zum Wurm, den jeder Schuh zertritt.
Zum Vogel mit zerbrochenem Gefieder.
Mach leiden mich, wie nie solch Wesen litt.
Laß so mich endlos sein. Nur Mensch nicht wieder.
Aus: Das Gedicht. Eine Sammlung von Benno von Wiese. Frankfurt/Main: 2. Aufl. Suhrkamp, 1984, S. 66
Kategorie: Deutsch, DeutschlandSchlagworte: Georg Kaiser
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