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Veröffentlicht am 31. März 2020 von lyrikzeitung
Anna Krommer
(* 31. März 1924 in Dolny Kubin, Tschechoslowakei)
Hunger
(London 1944)
Ich kann sie zählen und zählen,
doch die Münzen vermehren sich nicht.
Ich rieche Gerüche, die mich quälen
im kleinen Cafe, bei schwachem Licht.
Ich bin von allen vergessen.
Ich schweige, nur mein Magen stöhnt.
Überall sehe ich Menschen essen —
auch ich war so verwöhnt.
Der Kopf ist schwach,
die Straßen schwanken,
den langen Weg gehe ich zu Fuß.
Lichter tanzen, Glieder wanken.
Ein Künstlerleben ist doch kein Genuß.
An kalten Nächten möchte ich vergessen,
daß mich der Hunger grausam zwickt;
am Morgen weckt er mich indessen
in eine wohlbekannte Pein zurück.
Manchmal weine ich lang, doch leise —
dann kommt ein wenig Geld, ein wenig Glück.
Doch statt zu essen auf die beste Weise,
kauf ich mir Karten für Konzertmusik.
Aus: Anna Krommer: Staub von Städten. Ausgewählte Gedichte. Wien: Theodor Kramer Gesellschaft, 1995, S. 29
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Oh ja, das ist hart! So könnte es auch jetzt vielen Künstlern ergehen. Wir müssen den Wert der Kunst neu entdecken, wie das Brot zum Leben!
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