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Veröffentlicht am 14. Juni 2019 von lyrikzeitung
René Char
(* 14. Juni 1907 in L’Isle-sur-la-Sorgue, Département Vaucluse; † 19. Februar 1988 in Paris)
ES LEBE!
Dies Land ist nur ein Wunsch im Geist, ein Gegen-
Grab.
In meinem Land zieht man die zarten Beweise des Frühlings und die dürftig gekleideten Vögel den Fernzielen vor.
Die Wahrheit harrt der Morgenröte neben einer Kerze. Das Fensterglas ist trübe. Was kümmert’s den Wachsamen.
In meinem Land stellt man einem Erschütterten keine Frage.
Kein hämischer Schatten fällt auf das gekenterte Boot.
Halbes Willkommen kennt man in meinem Land nicht.
Man leiht nur, was man vermehrt zurückgeben kann.
Blätter, viele Blätter haben die Bäume meines Landes. Den Ästen steht’s frei, keine Früchte zu tragen.
Der Redlichkeit des Siegers traut man nicht.
In meinem Land sagt man Dank.
Übertragen von Gerd Henniger
Aus: René Char: Poesiealbum 74. Hrsg. Bernd Jentzsch. Berlin: Neues Leben, 1973, S. 19
Kategorie: Frankreich, Französisch
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