Kaspar Hauser

Am 26. Mai 1828 tauchte der 16-jährige Kaspar Hauser in Nürnberg auf und sprach den Schuhmachermeister Weickmann an. Sein Fall wurde vielfach literarisch gestaltet. Hier einige Beispiele.

Richard Dehmel

Lied Kaspar Hausers
Nach Verlaine

Ich kam so fromm, ein Waisenkind,
das nichts als seine stillen Augen hat,
zu den Leuten der großen Stadt;
sie fanden mich zu blöd gesinnt.

Mit zwanzig Jahren ward ich klug
und fand die Frauen schön und gut;
sie nennen das die Liebesglut.
Ich war den Fraun nicht schön genug.

Ohne Vaterland und Königshaus,
und wohl auch kein sehr tapfrer Held,
wollt ich den Tod im Ehrenfeld;
der Hauptmann schickte mich nach Haus.

Kam ich zu früh kam ich zu spät
in diese Welt? was soll ich hier!
Ach Gott, ihr lieben Leute ihr,
sprecht für den Kasper ein Gebet!

Georg Trakl

Kaspar Hauser Lied

Für Bessie Loos

Er wahrlich liebte die Sonne, die purpurn den Hügel hinabstieg,
Die Wege des Walds, den singenden Schwarzvogel
Und die Freude des Grüns.

Ernsthaft war sein Wohnen im Schatten des Baums
Und rein sein Antlitz.
Gott sprach eine sanfte Flamme zu seinem Herzen:
O Mensch!

Stille fand sein Schritt die Stadt am Abend;
Die dunkle Klage seines Munds:
Ich will ein Reiter werden.

Ihm aber folgte Busch und Tier,
Haus und Dämmergarten weißer Menschen
Und sein Mörder suchte nach ihm.

Frühling und Sommer und schön der Herbst
Des Gerechten, sein leiser Schritt
An den dunklen Zimmern Träumender hin.
Nachts blieb er mit seinem Stern allein;

Sah, daß Schnee fiel in kahles Gezweig
Und im dämmernden Hausflur den Schatten des Mörders.

Silbern sank des Ungebornen Haupt hin.

Aus „Sebastian im Traum“

Paul Verlaine

Aus: Kaspar Hauser singt:
ALS WAISE kam ich, sanft und stumm,
die nichts als stille Augen hat,
zu Menschen in der großen Stadt,
und alle hielten mich für dumm.

Mit zwanzig litt ich neue Pein:
Ich brannt’ in Liebe zu den Frauen,
sie sind so herrlich anzuschauen,
doch keine, keine wurde mein.

(…)

Aus: VERLAINE, PAUL: Poèmes. Gedichte. Neu übertragen von Hans Krieger. Mit Zeichnungen von Christine Rieck-Sonntag. Oreos Verlag, Waakirchen 2005. 168 S., 20,- €.

Paul Verlaine

Gaspard Hauser chante:
JE SUIS VENU, calme orphelin,
Riche de mes seuls yeux tranquilles,
Vers les hommes des grandes villes:
Ils ne m’ont pas trouvé malin.

À vingt ans un trouble nouveau,
Sous le nom d’amoureuses flammes,
M’a fait trouver belles les femmes:
Elles ne m’ont pas trouvé beau.

Bien que sans patrie et sans roi
Et très brave ne l’étant guère,
J’ai voulu mourir à la guerre:
La mort n’a pas voulu de moi.

Suis-je né trop tôt ou trop tard?
Qu’est-ce que fais en ce monde?
Ô vous tous, ma peine est profonde:
Priez pour le pauvre Gaspard!

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