Die Mitte und kein Ende

Bertram Reinecke veröffentlichte in den signaturen eine polemische Auseinandersetzung mit Nora Bossongs Aufruf an die Lyriker in der Zeit, sich „in die Mitte zu trauen“. Daraus entstand zunächst auf facebook eine kleine Diskussion (zu finden in den Kommentaren unter der Verlinkung des Artikels am 8. Juli !!), die dann unter einem Eintrag in der lyrikzeitung eine Fortsetzung fand. Diese Fortsetzung fand dann nochmals eine Fortsetzung in den Kommentaren auf einem weiteren Eintrag der lyrikzeitung und abschließend sogar nochmals auf fixpoetry. So viel Diskussion war selten, bedenkt man auch, dass diese Diskussionen schon Vorläufer hatten, z.B. der äußerst umstrittene Spiegel-Artikel über Jan Wagner.

Nun macht die Literaturwerkstatt am 24.9. einen Abend zu diesen Vorgängen und lädt Hendrik Jackson, Nora Bossong und Sabine Scho ein, die Um-und Tatbestände dieser Debatten noch einmal zu sondieren. Deshalb hier noch einmal alle links versammelt um den Stein des Anstosses. (Übernommen von lyrikkritik.de)

3 Comments on “Die Mitte und kein Ende

  1. Ach Boris, geht ja auch nicht, dass Du Deine markante Duftmarke nicht auch in diese Debatte setzt.
    Leider ist Dein Beitrag eher ein Scheinbeitrag. Du magst/kannst über die “ganze Debatte” offenbar nicht reden. Sonst hättest Du gemerkt, dass sie an verschiedenen Stellen Argumente enthällt, warum die Zahl der Buchverkäufe keine gute Basis für diese Debatte abgibt. (Es stünde Dir natürlich ansonsten frei, die Zahlen zumindest für Deine Gedichtbände hier einzuspeisen.) Die von Dir eingeforderten analytischen Standarts hätten es erfordert, dass Du etwas “umständlicher formulierst” und mindestens argumentierst, warum sie entgegen Debattenlage doch die Grundlage bilden sollten. (Andere gingen ja hier in der Tat so vor, dass sie Argumente vorbrachten!)
    Vielleicht ist Dir mal aufgefallen, dass es sich bei dieser Debatte auch um eine zu rhetorischen Schachzügen und Narrativen handelt. (Natürlich erwies es sich als schwierig, die jenseits von anderen Themen zu führen.): Meinen Argumenten liegen z.B. Statistiken über Argumentschemata zu Grunde. Ich meine auch, dass ich das an dem Schema, das wider Diez angewendet wird, auch schlüssig gemacht zu haben. (Ob sich das Dir erschließt, ist nat. eine andere Frage.) Auch eine Theorie des Wortgebrauchs in der Lyrik geht in meine Überlegungen ein. (Jan Kuhlbrodt und Breyger schwebt ähnliches vor). Diese zeigt z.B. auch, dass der von Dir gebrauchte Begriffskloß von Kook- Rough- Luxlyrik ein in höchstem Maß diffuser Popanz ist. Diese Neigung, wie Du entweder bestimmte Lyriken, oder alle Lyrik (wie Nora Bossong) nach einem zu kurz greifenden Paradigma über einen Kamm zu scheren, verbessert das Niveau der “ganzen Debatte” nicht, sondern verführt zu Scheindebatten.
    Es ist offenbar zwingender Bestandteil beinahe jeder Debatte, dass Leute daherkommen, die eine Debatte zur Scheindebatte erklären, ohne sich auf deren Inhalte irgendwie einzulassen. (Hab ich nun genug Belege für.) Damit muss man leben.
    Interessant, dass Du eine “Offenbarung” von poetologischen Debatten (oder von dieser) erwartest. Auch das ist ein beliebter rhetorischer Reflex, Missliebiges zwar grundsätzlich zuzulassen, dafür aber die Maßstäbe so hoch zu hängen, dass sie kaum zu überwinden sind.
    Man kann jedes Thema durch ein größeres erpressen. Diese Debatte ist für einen größeren Teil von Lyrikern relevant, für die Bewahrung unseres Planeten zumindest nicht unmittelbar. 🙂
    Wenn man den “Stein des Anstoßes” nach Berlin einlädt, muss man das nicht begrüßen, es ist aber nachvollziehbar. Über Sabine Scho wurde viel geredet, es ist fair, auch einmal mit ihr zu reden. Dass sie überdies die Rhetorik und die Narrationen von Jurydebatten und Lyrikberichterstattung seit langem aktiv verfolgt, rechtfertigt ihr Erscheinen weiterhin. Hendrick hat zumindest vehement Stellung bezogen, seine Haltung aber noch nicht zu Ende transparent gemacht. Natürlich kann man sich immer eine andere Zusammensetzung wünschen: Wer von den wirklich wichtigen Leuten, (außer Dir natürlich), schwebte denn Dir vor? Wenn Du nicht in typisch deutscher Manier auf eine Revolution von oben wartest, solltest Du vielleicht Leute nennen, die sich in die Debatte bisher schon irgendwie eingebracht haben.

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  2. dass es der Debatte an manchem, wovon Boris Preckwitz spricht, mangelt (was vor allem redlich-akademische Kriterien sind), ist offensichtlich. Deshalb ist es nicht zwangsläufig eine Scheindebatte, auch außerakademische Diskurse haben ja ihre Berechtigung. Dass sie so wuchert, scheint Gründe zu haben, denen wir ja nachgehen wollen.
    In der Literaturwerkstatt spricht immerhin Nora Bossong, die für die Zeit schreibt. Also ich weiß ja nicht, wo für Boris gesellschaftliche Relevanz anfängt… Und gesellschaftliche Auseinandersetzung? Findet bei allen dreien statt. Außerdem geht es ja auch um Jan Wagner und genau die Debatte, inwiefern er etwas repräsentiert, inwiefern er „Mitte“ ist (also „relevant“) etc. Darf darüber jetzt nur Angela Merkel reden, weil sie „relevant“ ist, oder muss man sich vorher politisch bekennen? Oder wollte hier jemand nur mal auch an den Baum pinkeln?

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  3. Am 19.08.2015 um 07:31 schrieb Boris Preckwitz:

    „Ach, Leute. Das Ganze ist doch eine Scheindebatte, die umso mehr verschwindet, je näher man ihr tritt. Erstens: wird sie ohne sinnvollen Rekurs auf definierte poetologische Begriffe geführt. Sie bezieht sich auch nicht auf klare Thesen und verargumentiert diese schlüssig. Sie ist also nicht analytisch. Zweitens schafft sie sich keine breite Materialbasis über Autoren, Werke und Markterfolge – sie misslingt also auch auf empirischer Ebene. Drittens – sind die meisten Debattenbeiträge zumeist diffus und umständlich formuliert, also auch in literarische-handwerklicher Hinsicht keine Offenbarung. Viertens – wenn man sich anschaut, wer da in der Literaturwerkstatt die Nabelschau betreiben soll – jene Lyriker sind doch soviele Lichtjahre von jeder gesellschaftlichen Auseinandersetzung und Relevanz entfernt, dass sich die Debatte auch deswegen erübrigt.“

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