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Veröffentlicht am 12. Juli 2014 von lyrikzeitung
„Rot ist der Abend auf der Insel von Palau, und die Schatten sinken“ – so beginnt Gottfried Benns Gedicht über die Südseeinsel, die einst zum deutschen Kolonialreich gehörte und hierzulande die wildesten Assoziationen weckte. Reichtümer, Hitze, Nacktsein – die Namen Upolu, Apolima und Manono wehten Nervosität in die deutschen Wohnzimmer der Kaiserzeit.
Unternehmer, Lebensreformer, Aussteiger wie August Engelhardt, dessen Geschichte Christian Kracht in seinem Roman „Imperium“ erzählt, brachen nach Deutsch-Neuguinea und Samoa auf, und diejenigen, die nicht so weit gehen wollten, benannten ihre Gartenkolonien, wo man halbnackt das neue, freiere Leben erproben konnte, nach den Inseln. Eine dieser Laubenkolonien, die selbst wie eine Insel in einem Meer aus über 2500 Parzellen in Berlin liegt, heißt noch immer so: Samoa.
Nun hat das echte Samoa damals nicht vielen Glück gebracht – das Handelshaus Godeffroy&Sohn, das die deutsche Kolonialisierung Samoas begonnen hatte, ging bankrott; auf der Kaisergeburtstagsfeier 1887 gab es eine Schlägerei zwischen Europäern und einheimischen Ehrengästen, Konsul Becker ließ deswegen den Inselkönig entmachten, die Anhänger eines Mannes namens Mata’afa zündeten zusammen mit einem Amerikaner das deutsche Konsulat an, woraufhin Konsul Knappe den Kriegszustand ausrief und von Bismarck mit der Begründung, er handele „ab irato“, im Zorn, abberufen werden musste: Das Paradies wurde zum Irrenhaus der Kolonialpolitik. / Niklas Maak, FAZ
Kategorie: Deutschland, SamoaSchlagworte: Gottfried Benn
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