Vita Nova

Zum 700. Todestag Dantes morgen mehr – er starb in der Nacht vom 13. zum 14. September 1321. Heute ein Sonett aus dem 14. Kapitel seines Jugendwerks „Vita Nova“ in verschiedenen Fassungen. Interessant sind auch die verschiedenen Fassungen der rahmenden Prosapassagen, besonders des Kommentars unter dem Gedicht (die in manchen deutschen Ausgaben fehlen oder ziemlich anders lauten). Auch halten sich die deutschen Herausgeber nicht an Dantes Anordnung die Nicht-Unterteilung dieses Sonetts betreffend, weshalb sie sie vielleicht weglassen. Dabei hängt sie eng mit dem (Nicht-)Verstehen zusammen. Vergleiche den Originaltext oder die englische Fassung mit der deutschen von Wolf / Jacobsen.

Originaltext

E partitomi da lui, mi ritornai ne la camera de le lagrime; ne la quale, piangendo e vergognandomi, fra me stesso dicea: «Se questa donna sapesse la mia condizione, io non credo che così gabbasse la mia persona, anzi credo che molta pietade le ne verrebbe». E in questo pianto stando, propuosi di dire parole, ne le quali, parlando a lei, significasse la cagione del mio trasfiguramento, e dicesse che io so bene ch’ella non è saputa, e che se fosse saputa, io credo che pietà ne giugnerebbe altrui; e propuòsile di dire, desiderando che venissero per avventura ne la sua audienza. E allora dissi questo sonetto, lo quale comincia: Con l’altre donne.

Con l’altre donne mia vista gabbate,
e non pensate, donna, onde si mova
ch’io vi rassembri sì figura nova
quando riguardo la vostra beltate.
Se lo saveste, non porìa Pietate
tener più contra me l’usata prova,
ché Amor, quando sì presso a voi mi trova,
prende baldanza e tanta securtate,
che fère tra‘ miei spiriti paurosi,
e quale ancide, e qual pinge di fore,
sì che solo remane a veder vui:
ond’io mi cangio in figura d’altrui,
ma non sì ch’io non senta bene allore
li guai de li scacciati tormentosi.

Questo sonetto non divido in parti, però che la divisione non si fa se non per aprire la sentenzia de la cosa divisa; onde, con ciò sia cosa che per la sua ragionata cagione assai sia manifesto, non ha mestiere di divisione. Vero è che tra le parole dove si manifesta la cagione di questo sonetto, si scrivono dubbiose parole, cioè quando dico che Amore uccide tutti li miei spiriti, e li visivi rimangono in vita, salvo che fuori de li strumenti loro. E questo dubbio è impossibile a solvere a chi non fosse in simile grado fedele d’Amore; ed a coloro che vi sono, è manifesto ciò che solverebbe le dubitose parole: e però non è bene a me di dichiarare cotale dubitazione, acciò che lo mio parlare dichiarando sarebbe indarno, o vero di soperchio.

J. Wege (1878)

Mit dem Wunsche, daß es zufällig zu ihrer Kenntniß kommen möge, schrieb ich dieses Sonett:

Ich hör euch scherzen mit den andern Frauen
Ob meines Aussehns; ach, ihr wißt ja nicht,
Warum sich so verändert mein Gesicht,
Wenn meine Augen Eure Schönheit schauen.

Wenn Ihr es wüßtet, höben Eure Brauen
So stolz und so erbarmungslos sich nicht.
In Eurer Nähe, ach, so mächtig bricht
Die Lieb‘ hervor, mit soviel Selbstvertrauen,

Daß sie zerreißt mein angsterfülltes Herz
Und meine Sinne tödtet und vertreibt,
So daß ich nichts vermag als Euch nur sehen.

So mit verstörtem Antlitz muß ich stehen,
Indeß mir brennend das Gefühl noch bleibt
Für der entflieh’nden Lebensgeister Schmerz.

Aus: Dante: Das Neue Leben und die gesammelten lyrischen Gedichte. In den Versmaßen der Urschrift ins Deutsche übertragen von J. Wege. Leipzig: Reclam, 1878, S. 27

Siegfried von der Trenck (1924)

So ich: verstört. So – höhnisch du. O weh,
mit andern höhnisch. Über mich. O Hohn!
Weil ich zersplittre vor der Schönheit Thron,
weil mir dein Anblick sagt: zerbrich, vergeh?

Doch das verstehst du nicht. Du weißt es nicht,
du ahnst kaum, wie die Liebe mich durchwittert;
wie meine Seele vor den Schlägen zittert
– als Wunderschein verstrahlt sie dein Gesicht!

Mich überwogt der Liebe Allgewalt
vor deiner übersüßen Wohlgestalt.
Das Leben flieht. Es überrinnt mich kalt

und heiß. Ich bin verloren, bin vergangen.
Ich bin nur noch ein bebendes Verlangen,
bin nicht mehr ich, nur Zittern, Schrei und Bangen.

Aus: Dante Alighieri, Die Gedichte des Neuen Lebens. Freie Nachdichtung … von Siegfried von der Trenck. Habelschwerdt: Frankes Buchhandlung, 1924 S. 15

Albert Ritter / Karl Förster (1922)

Sodann schied ich von ihm und ging heim in das Kämmerlein der Tränen, wo ich weinend und beschämt also zu mir sprach: „Fürwahr, so der Fraue mein Zustand bekannt gewesen wäre, sie hätte nicht also mein Aussehen verspottet; vielmehr glaube ich, sie würde Mitleid mit mit haben.“ – Und während ich so weinte, beschloß ich, Worte zu sagen, in denen ich, an sie gewendet, die Ursache meiner Umwandlung berichtete und sagte, wie ich wohl wisse, daß solche Ursache nicht gekannt sei, und ich, wenn sie es wäre, glauben dürfe, daß mir das Mitleid anderer nicht fehlen werde. Und ich beschloß solches mit dem Wunsche, es möchten meine Worte ihr durch ein glückliches Ungefähr zu Ohren kommen. Darauf sprach ich folgendes Sonett:

Wenn Ihr mein Aussehn höhnt mit andren Frauen,
Bedenkt Ihr, Fraue, nicht, wie es geschehe,
Daß ich so ganz verwandelt vor Euch stehe,
Wenn meine Augen Eure Schönheit schauen?

O wüßtet Ihr’s, – ich dürft’ auf Mitleid bauen,
Durch das ich solcher Prüfung wohl entgehe;
Denn trifft mich Minne so in Eurer Nähe,
Erwacht ihr Kühnheit neu und solch Vertrauen,

Daß sie mir schlägt die Sinne, die verzagten,
Und tötet die und treibt von dannen jene,
Bis sie, Euch anzuschauen, bleibt allein.

Drum muß ich also ganz verwandelt sein,
Und doch nicht so, daß ich nicht das Gestöhne
Vernähme der gepeinigten Verjagten.

Aus: Die unbekannten Meister – Dantes Werke, Hrsg. von Albert Ritter, Berlin: Gustav Grosser Verlag, 1922 (Wikisource)

Max J. Wolf / B. Jacobsen (1877/1921)

… und dichtete folgendes Sonett:

Mein Antlitz mag euch Fraun zum Spotte dienen,
Doch solltet Ihr, o edle Frau, erwägen,
Warum ich so verwandelt und verlegen,
Als Eure Schönheit meinem Blick erschienen.

Ach wüßtet Ihr’s, so müßte Mitleid sühnen
Den alten Groll, und sich mir günstig regen,
Denn Amor wird so sicher und verwegen,
trifft er mich nah bei Euch, daß von dem Kühnen

Verwundet, alle meine Geister bangen:
Die tötet er, die eilt er zu verjagen,
Bis er Euch anzuschaun allein geblieben. –

So ist es mir Verwandeltem ergangen,
Doch trifft von jenen Armen, die vertrieben,
Mein Ohr auch jetzt noch wehevolles Klagen. –

Unter den Worten, die die Veranlassung zu diesem Sonett erzählen, findet sich manches Dunkle; z.B. wenn ich sage: daß Amor alle meine Geister töte, bis auf die des Gesichts, die er nur ihres Sitzes beraube. Diese Unklarheit ist aber keinem aufzuhellen, der nicht in demselben Grade zu den Getreuen Amors gehört; und diesen wiederum ist das bekannt, was zur Aufklärung der dunkeln Rede dient: darum halte ich eine solche nicht für geraten, da sie entweder vergeblich oder überflüssig wäre.

Aus: Dantes Lyrik. Das Neue Leben und der Canzoniere. Hrsg. Max Josef Wolff. Berlin: Deutsche Bibliothek, 1921, S. 60f

Charles Eliot Norton

And then I devised this sonnet: —

With other ladies you make mock of me,
And think not, Lady, of the reason why
So strange a shape I offer to your eye,
Whene’er it hap that I your beauty see.

If this you knew, your pity could not hold
Longer against me its accustomed guise;
For when so near you Love doth me surprise,
He courage takes and such assurance bold,

He smites among my spirits chilled with fear,
And some he slays, and some he doth expel,
So he alone remains to look on you;

Hence I another’s form am changed into,
Yet not so changed but even then full well
The grievous cries of those expelled I hear.

This sonnet I do not divide into parts, because the division is made only for the sake of disclosing the meaning of the thing divided; therefore, since, through what has been said of its occasion, it has been made sufficiently plain, there is no need of division. It is true that among the words whereby the occasion of this sonnet is set forth, certain ambiguous words are found; namely, when I say that Love slays all my spirits, and only those of vision remain alive, and even they outside of their instruments. And this ambiguity it were impossible to solve to one who is not in like degree the liegeman of Love; and to such as are so, that is already plain which would solve these ambiguous words; and therefore it is not well for me to explain this ambiguousness, since my speech would be vain or superfluous.

In: Complete Works (Delphi Classics)

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