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Jacob Cats war ein berühmter niederländischer Dichter und Politiker, der noch jahrhundertelang gelehrt und gelesen wurde, einige seiner Zeilen bis heute sprichwörtlich. Cats wurde als Volksdichter mit Homer verglichen, schreibt Wikipedia (NL). Die junge Dichterin Sibylla Schwarz bekam seine Werke in die Hand und begann zu übersetzen. Dazu musste sie nicht eigens Niederländisch lernen, das damalige Niederdeutsch reichte als Brücke.
Im Jubiläumsjahr der Sibylla Schwarz versuche ich es ihr nachzumachen. Niederdeutsch kann ich ein bisschen (als Zugezogener), Niederländisch gar nicht. Also frisch ans Werk.
In seinem „Spiegel der alten und neuen Zeit“ sammelt er Sprichwörter in vielen Sprachen, außer seiner Muttersprache Latein, Französisch, Deutsch, Englisch, Italienisch, Spanisch, Griechisch, war das schon alles? Und offensichtlich dichtet er niederländische Sprichwörter weiter, die erste Zeile des folgenden Gedichts scheint ein Sprichwort zu sein, er macht daraus ein ganzes Gedicht in Paarreimen mit einer ganz einfachen Struktur, die man quasi schon als solche mit rudimentärem Wortschatz versteht. Ich nehme mir die Freiheit, ihm nachzudichten, was nicht passt wird passend gemacht, was ich nicht verstehe, kann auch mal unverständlich bleiben, wenns der Reimfindung dient. Aber nicht auf Teufel komm raus.
In der deutschen Ausgabe von 1710 steht in dem Abschnitt u.a.:
Verstand kömmt vor Jahren nicht. Was frühzeitig reift/fault bald. Was bald reiff/hält nicht steiff. Fürwitzige Kinder leben nicht lange; aber späth Obst liegt lange.
Nun das Gedicht.
Jacob Cats
(* 10. November 1577 in Brouwershaven auf der Insel Schouwen-Duiveland; † 12. September 1660 in Den Haag)
Vroegh ryp, vroegh rot,
Vroegh wys, vroegh sot;
Vroegh sneegh, vroegh slecht,
Vroegh Heer, vroegh Knecht;
Vroegh los, vroegh vast,
Vroegh waert, vroegh gast;
Vroegh wilt, vroegh tam,
Vroegh Rap, vroegh Lam;
Vroegh Valck, vroegh Uyl,
Vroegh Hengst, vroegh guyl;
Vroegh lief, vroegh leet,
Vroegh kout, vroegh heet;
Vroegh Vyer, vroegh Asch,
Vroegh Somer, quaet Gewas;
Vroegh de Wyn, vroegh bedorven,
Vroegh dronckaert, vroegh gestorven;
Vroegh geleert, vroegh vergeten,
Vroegh gebroeckt, vroegh bedreten.
Früh reif, früh verrott‘,
Früh weis, früh sott;
Früh Schnee, früh schlecht,
Früh Herr, früh Knecht;
Früh los, früh fest,
Früh Wirt, früh Gäst‘;
Früh wild, früh zahm,
Früh Rapp‘, früh Lamm.
Früh Falk, früh Eul‘,
früh Hengst, früh Gäul‘;
Früh Lieb, früh Leid,
Früh kalt, früh heiß;
Früh Feur, früh Asch,
Früher Sommer, früher Harvst.
Früher Wein, früh verdorben,
Früh Suffkopp, früh gestorben;
Früh gelernt, früh vergessen,
Früh gekocht, früh gegessen.
(Bassa, der Tebel holmer)
Da fiel mir noch auf, dass „Vroegh rap, vroegh lam“ bedeuten kann: früh schnell laufen können, früh lahm werden. Was ich tatsächlich als „Beweis“ von einer niederrheinischen Frau mit Rheuma hörte, die sehr früh laufen konnte. Oder allgemeiner, früh etwas können, früh erlahmen.
Ich zitiere, man beachte, dass „rap“ und „lam“ hier keine Substantive sind:
— In spreekwoorden
Vroegh rap, vroegh lam, CATS 1, 492 a [1632].
Mergh d. Ned. Spreekw. 2, 57 [1644].
— Rap met de tanden, is rap met de handen …: die goed kan eten, kan goed werken, SCHUERM., Bijv. [1883].
Daher schlage ich vor:
Vroegh wilt, vroegh tam,
Vroegh Rap, vroegh Lam;
wird:
Früh wild, früh zahm
Früh flink, früh lahm
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Ha, ein Gedicht aus der Heimat!
Als letzte zwei Zeilen schlage ich vor:
„Früh begriffen, früh vermissen
Früh in Hosen, früh verschissen“
Wie der Niederrheiner sagt: „datt is n leegen dritt!“; „bedreten“, verdrecken
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