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Veröffentlicht am 26. Mai 2020 von lyrikzeitung
Paul Boldt
(* 31. Dezember 1885 in Christfelde, Westpreußen; † 16. März 1921 in Freiburg im Breisgau)
DAS GESPENST
Wie weiß der Sommer ist! Wie Menschenlachen,
Das alle Tage in der Stadt verschwenden.
Häuserspaliere wachsen hoch zu Wänden
Und Wolkenfelsen, die mich kleiner machen.
In tausend Straßen liege ich begraben.
Ich folge dir stets ohne mich zu wenden.
O hielte ich dein Antlitz in den Händen,
Das meine kranken Augen vor sich haben.
Ich küßte es. Es küßte mich im Bette–:
– Versprich, daß du mich morgen nicht mehr kennst!
– Bist du nachts fleischern und ein Taggespenst?
– Du locktest es ins Netz deiner Sonette.
– Junger Polyp, dein Mund ist eine Klette.
– Er wird dich beißen, wenn du ihn so nennst.
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Aus: Paul Boldt: Junge Pferde! Junge Pferde! Das Gesamtzwer. Mit einem Vorwort von Peter Härtling. Olten, Freiburg/Br.: Walter, 1979, S. 38
Kategorie: Deutsch, DeutschlandSchlagworte: Paul Boldt
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