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Veröffentlicht am 11. Mai 2020 von lyrikzeitung
Rose Ausländer
(* 11. Mai 1901 in Czernowitz, Österreich-Ungarn; † 3. Januar 1988 in Düsseldorf)
Folg mir nicht nach, mein Bruder
[Nach Itzik Manger. Aus dem Jiddischen]
Ich bin der Weg ins Leere,
das blonde Sonnensinken,
die braune Hirtenflöte,
das müde Abendwinken.
Folg mir nicht nach, mein Bruder –
mein Gehen ist Vergehn!
Es wird dein junger Glaube
an meinem Weh verwehn!
Ein Dolch ist meine Schönheit,
der tief sich gräbt ins Herz.
Zwei blaue Lippen über
dem Kruge Wein: mein Schmerz.
Mein Sehnen: ein Zigeuner
in windgepeitschter Steppe.
Eine tote, bleiche Mutter
auf dunkler Abendtreppe.
Folg mir nicht nach, mein Bruder,
mein Gehen ist Vergehn!
Es wird dein junger Glaube
an meinem Weh verwehn!
Meine Gier: eine nackte Nonne,
vor dem Altar gebeugt,
die ihre heißen Brüste
dem blonden Narren neigt.
Meine Luft: ein Regenbogen,
der an der Sonne reift
und in der Hand verflüchtet,
die gierig nach ihm greift.
Mein Haß: ein wilder Reiter,
in seiner Hand ein Strick,
doch statt den Feind erwürgt er
im Wahn sein eignes Glück.
Folg mir nicht nach, mein Bruder –
mein Gehen ist Vergehn!
Es wird dein junger Glaube
an meinem Weh verwehn.
(1985)
Aus: Fäden ins Nichts gespannt. Deutschsprachige Dichtung aus der Bukowina. Herausgegeben von Klaus Werner. Frankfurt/Main, Leipzig: Insel, 1991, S. 55f
Kategorie: Deutsch, Deutschland, JiddischSchlagworte: Itzik Manger, Rose Ausländer
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Da würd ich sehr, sehr gerne das Original sehen. Hat sie es auf Jiddisch geschrieben und dann übersetzt, oder war es jemand anders?
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Der jiddische wird von Itzik Manger sein. Habe es aber in den zwei Bänden, die ich hier habe, nicht gefunden.
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„Fäden ins Nichts gespannt“, – wie grauenvoll!! Obwohl,die Form fasziniert.
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