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Katerina Angelaki-Rooke
PENELOPE SPRICHT
Ich habe nicht gewebt, ich habe nicht gestrickt,
ich habe etwas zu schreiben begonnen und verlosch
unter dem Gewicht der Worte,
denn der vollkommene Ausdruck wird verhindert,
wenn das Innere bedrückt ist von Schmerzen.
Und auch wenn Abwesenheit das Thema meines Lebens ist
— Abwesenheit vom Leben —‚
gelangt Weinen auf das Papier
und der natürliche Schmerz des Körpers,
der Entbehrungen leidet.
Ich verlösche, zerreiße, ersticke
die lebendigen Rufe:
„He, wo steckst du? Ich warte auf dich.
Dieser Frühling ist nicht wie die anderen.”
Und ich beginne den Morgen
mit neuen Vögeln und weißen Laken,
die in der Sonne trocknen.
Niemals wirst du hier sein
mit dem Schlauch, um die Blumen zu gießen,
während die Decken tropfen,
vollgesogen vom Regen,
und mein Ich still und herbstlich
aufgelöst ist in deinem …
Dein erlesenes Herz
— erlesen weil ich es auserwählt habe —
wird immer anderswo sein,
und ich werde immer mit Worten
die Fäden zerschneiden,
die mich an diesen einen Mann binden,
nach dem ich mich sehne,
bis er zum Inbegriff wird der Sehnsucht: Odysseus‚
und bis er, in jedermanns Denken,
auf den Meeren segelt.
Leidenschaftlich vergesse ich dich
jeden Tag,
damit du von der Sünde
der Süße und des Duftes erlöst wirst
und vollkommen gereinigt
eintrittst in die Unsterblichkeit.
Das ist harte und schwere Arbeit.
Mein einziger Lohn ist,
dass ich am Ende begreife,
was menschliche Anwesenheit ist
und was Abwesenheit,
wie das Ich funktioniert in solcher Einsamkeit, so lange,
warum niemals das „Morgen“ aufhört,
dass der Körper sich selbst wiederherstellt;
er erhebt sich und fällt auf das Bett,
wie behauen,
manchmal krank, manchmal verliebt
in der Hoffnung,
was er bei der Berührung verliert
wiederzugewinnen in der Erkenntnis.
(1977)
Aus: Katerina Angelaki-Rooke: Die Engel sind die Huren des Himmelreichs. Gedichte. Übersetzt von Jorgos Kartakis und Dirk Uwe Hansen. Leipzig: Reinecke & Voß, 2017, S. 11f
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