13. Wortvoyeure

Michael Donhauser, der am 4. November mit dem Georg-Trakl-Preis für Lyrik in Salzburg ausgezeichnet werden wird, wurde am 27. Oktober 1956 als österreichischer Staatsbürger im Liechtensteiner Vaduz geboren und lebt heute in Wien. …

„Michael Donhausers Gedichte ruhen als archaischer Fels in der Poesielandschaft, (…). Sein reiches poetisches Universum entfaltet sich paradoxerweise aus einem Minimum an Sprache, seine Verse leben von auf den Kern reduzierten und präzis-sparsam eingesetzten Worten“, heißt es in der Begründung zum Georg-Trakl-Preis 2009.

Einladungen zu Lyrik-Lesungen empfinde ich grundsätzlich als ein eher zweifelhaftes Vergnügen. Wie oft habe ich es erlebt, dass Worte – in der Regel potenzlos – im Raum verhallten, weil das Publikum nicht stark genug war, das verdichtet Gesagte zu ertragen oder der Lyriker nicht hinter dem eigenen Text zu stehen kam. Mit entsprechender Skepsis, einen kleinen Fluchtweg freihaltend, lasse ich mich zwischen etwa fünfzig geladenen, gespannten Gästen nieder.

Alfred Böttger begrüßt. Donhauser lässt sich Zeit. Die Stille wirkt. Mit Bedacht werden die ersten Worte gewählt, turnen sich halsbrecherisch durch den Raum. Kein Wort darf verloren gehen. Die Wortvoyeure halten den Atem an. Kein Wort wird verloren gehen, dessen darf ich mir sicher sein. Als ob er dem Umstand der Lyrikbesessenheit der Gäste nicht traut, blickt er fast argwöhnisch in die Runde, beginnt ratlos-zurückhaltend zu lesen und endet ungern.

Vielleicht an einem Abend, an/ einem Abend spät vielleicht/ Ein Glas gefüllt mit Anis und/ eine Stimme, die weint/ Vielleicht, daß eine Stimme/ weint/ Ein Glas an einem Abend spät/ vielleicht/ Ich gehe nicht, nicht mehr/ sehr weit/ Zu sehr, zu sehr, nicht mehr/ zu weit (aus: Sarganserland)

Die Sprachlosigkeit bricht Michael Donhauser durch Bewegung auf. Kein Stillstand. Kein Zeitvakuum. Gerade dem Dichter wird gerne Weltverfremdung und ewige Selbstreflexion vorgeworfen. Donhausers Lyrik scheint über die Jahre zunächst wenig verändert, ist es doch auf den ersten Blick die immer gleich hermetische Naturlyrik. Donhauser kann auf den ersten Blick das Verharren in irgendeiner Landschaft dieser oder jener Art unterstellt werden, nähere Betrachtung fordert jedoch Erstaunen über die Vielfältigkeit der Bewegung. Hermetisch und mit doppeltem Boden. / Julia-Rebecca Riedel, Kultur in Bonn

Michael Donhauser in der Buchhandlung & Galerie Böttger: Gedichte und seine soeben bei Urs Engeler erschienene Poetik „Nahe der Neige“.

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