23. Dezember und was folgte

Bertolt Brecht 

(* 10. Februar 1898 in Augsburg; † 14. August 1956 in Ost-Berlin)

Die gute Nacht

Der Tag, vor dem der große Christ
Zur Welt geboren worden ist
War hart und wüst und ohne Vernunft.
Seine Eltern hatten keine Unterkunft
Und auf den Straßen herrschte ein arger Verkehr
Und die Polizei war hinter ihnen her
Und sie fürchteten sich vor seiner Geburt
Die gegen Abend erwartet wurd.
Denn seine Geburt fiel in die kalte Zeit.

Aber sie verlief zur Zufriedenheit.
Der Stall, den sie doch noch gefunden hatten
War warm und mit Moos zwischen seinen Latten
Und mit Kreide war auf die Tür gemalt
Daß der Stall bewohnt war und bezahlt.
So wurde es doch noch eine gute Nacht
Auch das Heu war wärmer, als sie gedacht
Ochs und Esel waren dabei
Damit alles in der Ordnung sei.
Eine Krippe gab einen kleinen Tisch
Und der Hausknecht brachte ihnen heimlich einen Fisch.
(Denn es mußte bei der Geburt des großen Christ
Alles heimlich gehen und mit List.)
Doch der Fisch war ausgezeichnet und reichte durchaus
Und Maria lachte ihren Mann wegen seiner Besorgnis aus.
Denn am Abend legte sich sogar der Wind
Und war nicht mehr so kalt, wie die Winde sonst sind.
Aber bei Nacht war er fast wie ein Föhn.
Und der Stall war warm. Und das Kind war sehr schön.
Und es fehlte schon fast gar nichts mehr –
Da kamen auch noch die Dreikönig daher!

Maria und Joseph waren zufrieden sehr.
Sie legten sich sehr zufrieden zum Ruhn.
Mehr konnte die Welt für den Christ nicht tun.

Entstanden Dezember 1926.

Aus: Bertolt Brecht: Gedichte 3. Gedichte und Gedichtfragmente 1913-1927 (Große kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe 13). Berlin: Aufbau; Frankfurt/Main: Suhrkamp, 1993, S. 339f. Am 25. Dezember war eine erste Fassung in der Vossischen Zeitung in Berlin erschienen. Vermutlich erweiterte Brecht das Gedicht danach.

One Comment on “23. Dezember und was folgte

  1. Der junge Brecht hatte ja beste Informationen über die Weihnachtsnacht, noch bessere als sie im Lukas-Evangelium verarbeitet wurden.

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