Zwei Tränen

Hadasa Rubin ist eine jiddische Dichterin aus einer Gegend, die nacheinander zu Russland, Polen und der Ukraine gehörte. Sie wurde 1911 oder 1912* in Jampol bei Krzemieniec (Russisches Reich, heute Jampil, Ukraine) in einer jüdischen Familie geboren. 1921 zog die Familie nach Zbarazh (Galizien, damals polnisch) und später nach Kremenez, wo sie die Hochschule abschloss. Sie wurde Mitglied der Kommunistischen Partei und kam für ihre Aktivitäten für ein paar Jahre in ein polnisches Gefängnis. 1932 ging sie nach Wilna, wo sie in der Zeitschrift Der tog debütierte und der Schriftstellergruppe Jung Wilne beitrat. Sie überlebte den Zweiten Weltkrieg im sowjetischen Kirgisien. 1946 kehrte sie nach Polen zurück und ließ sich in Stettin nieder, wo sie Sekretärin des Jüdischen Kulturvereins und 1950-1952 Vorsitzende der Stettiner Zweigstelle des Sozial- und Kulturvereins der Juden in Polen war. 1953 zog sie nach Warschau, wo sie journalistisch und literarisch tätig war, u.a. 1956-1959 als Mitarbeiterin der Zeitschrift Jidische schriftn. 1960 emigrierte sie nach Israel, wo sie in einem Vorort von Tel Aviv lebte. Später ging sie nach Haifa, wo sie 2003 starb. Einige Gedichte wurden ins Polnische, Hebräische, Englische und Deutsche übersetzt (deutsch in der wichtigen Anthologie Der Fiedler vom Getto. Jiddische Dichtung aus Polen. Leipzig: Reclam, 1968, 2. Aufl.). Sie erhielt mehrere Literaturpreise, darunter den Dovid-Hofschtejn-Preis.

*) Die Eltern konnten sich nicht genau erinnern.

(mehr im Lyrikwiki)

zwei trern

di lewone oif jener seit moier
is ganz.
ich weiß:
zu mein fenzter wet si dergein
schoin a zebrochene.
nor di trer mis bleibn
keilechdik un ganz ,
asoi wi di lewone
oif jener seit moier.
koim rirstu si on,
wet si, di trer,
wi kweksilber zeschpaltn sich
un mein oig weln bri-en
zwei trern.
Zwei Tränen

Der Mond auf der anderen Seite der Mauer
ist ganz.
Ich weiß:
Wenn er zu meinem Fenster gelangt
wird er zerbrochen sein.
Aber die Träne muss bleiben
rund und ganz,
so wie der Mond
auf der anderen Seite.
Kaum berührst du sie,
wird sie, die Träne,
wie Quecksilber zerplatzen
und zwei Tränen
werden meine Augen verbrühen.
Mond, Lewone, ist im Jiddischen weiblich.

(Meine Übersetzung)

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