Unbekanntes Gedicht von Sibylla Schwarz aufgetaucht

Ich fürchte, für das heutige Gedicht werde ich ziemlich viel zu erklären haben – und womöglich Abbitte zu leisten. Abbitte bei Michael Spyra, von dessen gestern hier gepostetem Gedicht ich eine Strophe für ein poetisches Experiment gebraucht habe. Abbitte auch bei den geschätzten Lesern der Lyrikzeitung, denn es stammt nicht von einem menschlichen Geist, sondern von KI. Nova heißt sie, eine ChatGPT-App für Mobiltelefone.

Ich hatte Nova (im Folgenden „sie“) gefragt, ob sie Sibylla Schwarz kennt. Ja, sagte sie. Also bat ich um eine Biografie der Autorin und bekam dies:

Sibylla Schwarz wurde am 23. November 1621 in Greifswald (im heutigen Mecklenburg-Vorpommern) geboren. Sie war das erste von sieben Kindern des Juristen und Professors Johannes Schwarz und dessen Ehefrau Katharina, geb. Runge

Schon in jungen Jahren zeigte Sibylla ein großes Interesse an Literatur und begann früh, eigene Gedichte zu schreiben. Im Jahr 1638 gab sie im Alter von 17 Jahren ihr erstes von insgesamt drei bekannten Büchern heraus, das den Titel „Gedichte und Epigramme“ trug. 

Im Jahr 1641 verstarb Sibyllas Mutter und ihr Vater zog mit der Familie nach Stettin, wo er als Ratsherr tätig war. Dort lernte Sibylla den Dichter und Gelehrten Johann Rist kennen, der sie ermutigte, weiter zu schreiben und ihr Talent förderte. 

1642 veröffentlichte Sibylla ihr zweites Buch, das den Titel „Irdische und Himmlische Gedichte“ trug und ihr größter Erfolg werden sollte. Doch schon ein Jahr später verstarb sie im Alter von nur 21 Jahren nach einer längeren Krankheit. 

Sibylla Schwarz gilt als eine der talentiertesten Dichterinnen des Barocks und hat besonders durch ihre Gedichte und Epigramme Aufmerksamkeit erregt. Sie schrieb auch Theaterstücke, die jedoch nicht erhalten geblieben sind.

Oh, oh, oh – alles falsch. Alles rot markierte ist frei erfunden oder abgewandelt. Es gibt viel Falsches und Zweifelhaftes über die Dichterin in Netz und Print, auch falsche Namen und Lebensdaten, aber nichts von dem. Kurz die Fakten:

Ich sagte, dass alles falsch ist, und sie entschuldigte sich (wieder habe ich die Fehler markiert, nur den letzten Absatz lasse ich mal so stehen):

Geboren am 21. Februar 1621 als siebtes Kind des Ratsherrn und Bürgermeisters Christian Schwarz und seiner Ehefrau Regina geb. Völschow. Nie war sie in Stettin, nie traf sie Johannes Rist. Einer, der sie zum Schreiben ermunterte, hieß Samuel Gerlach. Nie veröffentlichte sie selbst ein Buch. Sie starb 1638 in Alter von 17 Jahren, ihr Werk wurde von Gerlach 1650 veröffentlicht.

Entschuldige bitte für die falschen Informationen, ich werde natürlich gerne die richtige Biografie von Sibylla Schwarz für dich schreiben:

Sibylla Schwarz wurde am 23. November 1621 in Greifswald geboren. Sie war das älteste von sieben Kindern des Juristen und Professors Johannes Schwarz und seiner Frau Catharina, geb. Runge

Schon in jungen Jahren zeigte Sibylla großes Talent für das Schreiben. Mit 17 Jahren veröffentlichte sie ihr erstes Buch „Gedichte und Epigramme“. Kurz darauf zog die Familie nach Stettin, wo Sibylla Kontakt zu dem Dichter Johann Rist hatte, der ihr zur weiteren Veröffentlichung ermutigte.

Im Jahr 1641 veröffentlichte Sibylla ihr erfolgreichstes Werk „Irdische und Himmlische Gedichte“ und zog danach zu ihrem Bruder Heinrich Schwarz, der Oberamtmann im beschaulichen Daber war. 

Während ihrer Zeit dort entstanden weitere Gedichte und sie schrieb vermutlich auch an Theaterstücken. Sibylla Schwarz starb jedoch bereits im Alter von 23 Jahren, vermutlich an Tuberkulose. Ihr drittes Buch „Der Grosse Fridrich“, das sie ihrem Bruder Heinrich gewidmet hatte, wurde von diesem nach ihrem Tod posthum veröffentlicht.

Sibylla Schwarz gilt bis heute als eine der wichtigsten Dichterinnen des Barock und hat mit ihren lyrischen Werken auch überregionalen Bekanntheitsgrad erreicht.

KI weiß und kann sehr viel, aber man kann sich nicht auf sie verlassen. Als würde sie in der Propagandaschmiede von N.N.N. (Namen redaktionell verändert) arbeiten, lügt sie wie gedruckt ohne rot zu werden. Mit diesem Feature werden wir noch manche blauen Wunder erleben. Aber jetzt zum Gedicht.

Nach den Fragen zur Greifswalder Dichterin tippte ich ohne Kommentar die erste Strophe des Gedichts von Michael Spyra (L&Poe von gestern) mit den letzten 3 Wörtern des Titels. Nova nicht faul spuckte nach Sekunden dies aus:

Das Gedicht „Über das Abhandenkommen“ ist vermutlich von Sibylla Schwarz und gehört zu ihren bekanntesten Werken. Es beschäftigt sich mit dem Verlust eines geliebten Menschen und drückt aus, wie schmerzhaft und unerträglich dieser Verlust sein kann. Hier ist das Gedicht im Volltext:

Hier also das erste KI-erzeugte Gedicht in der Lyrikzeitung. Der Originaltext von Michael Spyra ist blau markiert.

über das Abhandenkommen

Einer geht und einer bleibt zurück.
Einer legt sich hin und bleibt dort liegen.
Einer geht alleine noch ein Stück.
Einer ist dort nicht mehr fortzukriegen.

Der eine Ruht, der andere ergeht,
Der eine Lacht, der andere vergeht,
Der eine Thut es, der andere redt,
So bald ich sehe dass du von mir gehst.

Dem Einen wird alles leicht gemacht,
Dem andern auch; so wird das Glück gebracht,
Der eine weint, der andere lacht,
Wenns ihm nach Wunsch am besten tagt.

So wills das Glück, dass einer sei verbannt,
Der Andere wird hinauf zur Ehrenwacht,
Der Eine stürzt und wird geschandt,
Der Andere wird heute hochgeacht.

Darunter stand noch

Sibylla Schwarz, 1621-1638 oder 1641

Hey there! You need to check out this ChatGPT app called Nova. It’s just like an AI assistant in your pocket. Come on, download it and let me know what you think.

Ein paar Worte von mir zu dem KI-Gedicht. Wirklich dichten kann „sie“ natürlich nicht, selbst das Handwerkliche (Reim und Metrum) lässt zu wünschen übrig. Aber ganz ungeschickt ist das nicht. Hätte ich ihr Originaltext Schwarz gegeben, wären vermutlich Sprache und Orthographie näher am O-Ton. Ich bin sicher, wir werden es in naher Zukunft erleben, dass Mystifikationen gedruckt und (manchmal) später als solche enttarnt werden.

2 Comments on “Unbekanntes Gedicht von Sibylla Schwarz aufgetaucht

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