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René Crevel
(* 10. August 1900 in Paris; † 18. Juni 1935 ebenda)
Dich plagt das Gewissen ... Dich plagt das Gewissen, den Vater umgebracht, ohne hundert Jahre Erinnerung erworben zu haben. Immer diese Schwäche der Nerven wie die Blumen in der Brotkrume. Wenn du das Spiel wagtest. Die Würfel tanzen. Mann oder Frau? Hund oder Katze? Aber es wird den Hund geben, der zugleich eine Katze ist, noch immer das alte Lied zurückbleibender Abreisen, und dann dieser Lehnstuhl aus Holz. Nur mehr eine Brust hängt ganz oben an den geschlechtslosen Körpern; deine Kindheit verbrachtest du unter Pfarrern in Frauenröcken; in der Krypta von Sacré-Cœur hast du dich nicht verstanden auf die Liebe. In deinem Gehirn ein Gefieder. Dieser Vogel ohne Lieder, Vogel, der nicht flog, Vogel, der nicht sang, fähig zu nutzlosem Schauder allein. Liebend wie ein Bruder wollte er sein zu den kleinen Schiffen, den Kolibri-Schiffen, ausgeschwärmt bedächtig und leicht haben sie gar nichts erreicht. Rost, Blut von Karkassen, im Tode erstarrend, ringsum beharrend das müdschwere Wasser von den Hausfrauen bleiern und bleich die allzuoft Mütter zugleich. Du frierst, doch du kannst weder sterben noch weinen. Traurig zwischen boshaft erbärmlichen Kais, die jedermann hiernieden verachtet, gehst du hin, Fluß der grauen Städte, ohne Ozeanhoffnung.
Aus dem Französischen von Bert Noglik. In: Surrealismus in Paris. 1919-1939. Ein Lesebuch. Hrsg. Karlheinz Barck. Leipzig: Reclam, 1986, 297
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