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Veröffentlicht am 31. Januar 2020 von lyrikzeitung
René Schickele
(* 4. August 1883 in Oberehnheim im Elsass; † 31. Januar 1940 in Vence, Alpes-Maritimes)
Vorortballade
Um seine Villa beneidet der eine den andern, um das Leuchten des Wannsees,
um seine Terrasse mit geflochtenen Stühlen, um das Segelboot „Ramses“.
Um seinen Hühnerhof auch und den schattigen Garten,
wo er in vielen Nächten verdammt war zu warten,
bis eine Dame kam mit hellem Haar und dem Schlüssel zum Auslug.
Ihr Haar fiel, und sie lachte leis, bis die erste Lerche im Tau schlug.
Nun aber möchte er Starkästen bauen, mit kleinen Hunden spielen,
dem Wetter vertrauen und im Schatten nach glitzernden Möwen zielen,
das Boot „Ramses“ besteigen, in Himmel und Wolken baden!
Vor allem wünschte er sehr, seine Freunde zum Essen zu laden.
Wogegen der andre mit Schnaken kämpfte im schattigen Garten,
verdammt, in vielen Nächten zu stehn und lange zu warten,
bis eine Dame käme, mit hellem Haar und dem Schlüssel zum Auslug.
Ihr Haar fiel, und sie lachte leis, bis die erste Lerche im Tau schlug.
(1910)
Aus: Vom jüngsten Tag. Ein Almanach neuer Dichtung. Leipzig: Kurt Wolff, 1916, S. 64f
Kategorie: Deutsch, Deutschland, FrankreichSchlagworte: René Schickele
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