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Veröffentlicht am 10. Dezember 2019 von lyrikzeitung
Nelly Sachs
(geboren am 10. Dezember 1891 in Berlin-Schöneberg, gestorben am 12. Mai 1970 in Stockholm)
BEREIT SIND ALLE Länder aufzustehn
von der Landkarte.
Abzuschütteln ihre Sternenhaut
die blauen Bündel ihrer Meere
auf dem Rücken zu knüpfen
ihre Berge mit den Feuerwurzeln
als Mützen auf die rauchenden Haare zu setzen.
Bereit das letzte Schwermutgewicht
im Koffer zu tragen, diese Schmetterlingspuppe,
auf deren Flügeln sie die Reise einmal
beenden werden.
Geschrieben im Winter 1951
Aus: Nelly Sachs, Gedichte 1951-1970. Hrsg. Ariane Huml und Matthias Weichelt (Werke Band II). Berlin: Suhrkamp, 2010, S. 26
Kategorie: Deutsch, SchwedenSchlagworte: Nelly Sachs
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Was für eine Tiefe! Was für eine Wucht! Dieses Gedicht umfasst wie wenige nur in den 11 Zeilen das Schicksal der Länder im Zweiten Weltkrieg, das bigraphische Schicksal von Nelly Sachs und ihrer Mutter – und es ist wie eine Blaupause selbst für unsere Zeit. Ich bin tief berührt und fühle mich in sinnen und Gedanken geöffnet für die Wahrheit dieses Textes.
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Ich finde nicht, dass das Gedicht “nach unten zieht”. Vielleicht muss man manchmal etwas warten, bis das Gedicht zu einem spricht. Vielleicht hilft es, sich über die Autorin zu informieren. Hätte die ihr Land nicht rechtzeitig verlassen, hätte sie nicht überlebt. Aber auch im neuen Land fühlte sie sich bedroht.
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Aber eine Lyrikzeitung trägt auch etwas Vera twortung mit , wenn „alle Länder“ diesen Worten folgen .
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Es gibt auch anderes Wichtiges zu sagen, welches nicht nach unten, sondern nach oben zieht. Wir entscheiden ja selbst, wovon wir uns ziehen lassen, und auch, was wir den Menschen sagen. Eine Lyrikzeitung darf natürlich alles bringen. Und jeder Mensch entscheidet dann selbst.
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