Jede Zeit hat ihren Horaz

… behaupte ich einfach mal so. Vielleicht gelingt es nicht jeder? Immerhin Opitz dichtete: „Ich hab ein Werk vollbracht, dem Erz nicht zu vergleichen, / Dem die Pyrámides an Höhe müssen weichen“ (Betonungsstrich von mir, M.G.) – hat es Opitz genützt? Horaz geschadet?

Hier zum 1954. Geburtstag des Römers zwei Versionen der Ode 1, 31 (Für Hardcorefans darunter das Original zum Vergleichen… gefolgt von einem persönlichen Nachtrag, sozusagen für die weniger Harten.)

Friedrich von Hagedorn

(* 23. April 1708 in Hamburg; † 28. Oktober 1754 ebenda)

Die einunddreißigste Ode des Horaz im ersten Buche.

Was mag der Wunsch des Dichters sein,
Der den geweihten Phoebus bittet?
Und was ruft er ihn an, da er den neuen Wein
Aus seiner Opferschale schüttet?
Er wird den Reichthum voller Aehren
Nicht aus der feisten Flur Sardiniens begehren,
Auch nicht um den Besitz der schönen Heerden flehn,
Die in Calabriens erhitzten Triften gehn.

Kein indisch Elfenbein noch Gold
Sind das, warum er Bitten waget,
Auch Felder nicht, um die der stumme Liris rollt,
Der sie mit stillem Wasser naget.
Der, dem ein günstig Glück bei Cales Wein gegeben,
Beschneid' und keltre sich die ihm gegönnten Reben!
Die güldnen Kelche leer' ein reicher Handelsmann
Von Weinen, die sein Tausch in Syrien gewann!

Der Götter Liebling sei nur Er!
Daß drei- ja viermal alle Jahre
Er straffrei und verschont des Atlas breites Meer
Mit sichern Frachten überfahre!
Mir sind Cichorien, mir sind des Oelbaums Früchte
Und leichte Malven stets vergnügende Gerichte.
Gib mir, Latonens Sohn, bis zu des Lebens Schluß,
Zum Gegenwärtigen Gesundheit und Genuß.

Nur etwas wünsch' ich mir dabei,
Verweil' ich länger auf der Erde:
Daß auch mein Alter noch ein Stand der Ehre sei
Und mir zu keinem Vorwurf werde.
Alsdann vermindre mir kein Kummer, kein Geschäfte,
Und keiner Krankheit Gift die mindern Seelenkräfte,
Und, wie der Dichter Kunst mir immer wohlgefiel,
So sei der Saiten Scherz auch meines Alters Spiel.

Friedrich Gottlieb Klopstock

(* 2. Juli 1724 in Quedlinburg; † 14. März 1803 in Hamburg)

Was wünscht der Dichter von dem geweiheten
Apoll? der Schal entströmend den neuen Wein,
  Was fleht er? Nicht gesenkte, volle
    Ähren Sardinias ...

Nicht schöne Herden, wie in Kalabrien,
Gedeihn der Sonne; Gold nicht noch Elfenbein;
  Nicht Fluren, die mit stiller Welle
    Lockert die leisere Liris ...

Calenersicheln führe, wem gab das Glück
Die Traube. Goldnen Kelchen entschlürfe der
  Lastreiche Segler Weine, die er
    Tauschte für Syrias Wohlgerüche,

Lieb selbst den Göttern; denn auch das vierte Mal
Im Jahr durchschifft er sicher des Atlas Meer.
  Endivien, die leichte Malve
    Labe mich, mich die Olive ...

Gib mir, Latous, daß dem Gesunden sei
Genuß sein Tibur, gib auch dem Geiste Kraft,
  Daß nicht vom Gram entstellt mein Alter
    Sei, noch der Zither entbehre ...

Persönlicher Nachtrag

Beide Fassungen fand ich vor Äonen in einem Buch, das mir ausweislich beiliegender Urkunde am 29. Juni 1968 geschenkt wurde. Der Anthologie (Aufbau 1968) verdanke ich nicht nur das stilisierte Logo der Lyrikzeitung. In ihr gibt es die Ode auch noch in der Fassung Herders. Ob jede Zeit ihren Horaz hat? Zumindest das 18. Jahrhundert hatte gleich mehrere.

2 Comments on “Jede Zeit hat ihren Horaz

  1. Friedrich von Hagedorn, herzlichen Dank für deinen sehr interessanten Lyrik-Eintrag. Schöne Vorweihnachtsgrüsse schicke ich dir aus Budapest 😊

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