Di Muse

פּרץ מאַרקיש — די מוזע

Perez Markisch

Der jüdische Byron nannte man ihn und auch: der jüdische Majakowski. Er wurde am 7. Dezember 1895 in Polonnoje, Gouvernement Wolhynien [heute Polonne, Ukraine] geboren und in der „Nacht der ermordeten Dichter“ vom 12. zum 13. August 1952 in Moskau erschossen. Man findet nicht viel auf Deutsch. Etwas mehr auf Englisch, Jiddisch und auch auf Russisch (auch Anna Achmatowa hat ein paar seiner Gedichte übersetzt).

Heute das Gedicht di muse (zu deutsch: Die Muse).

די מוזע

איך געדענק ניט, װאָס שפּעטער, װאָס פֿריִער,
אױף אַ כװאַליע אין חלום פֿאַרשװינד איך. ―
נאָר די מאַמע, ― זי שטײט נעבן מיר.
װי אַ מאָל. װי בײַ נאַכט. אין דער קינדהײט.

װען זי האָט ניט געװוּסט צי איך שלאָף.
װען זי האָט ניט געהערט, צי איך אָטעם ―
און איז באָרװעס אַראָפּ פֿונעם בעט און אַ לאָף,
און פֿון שרעק ניט געװוּסט ― װוּ אַ טראָט טאָן.

אױף דער כװאַליע ― איר בלאַסלעכע האַנט
מיט אַ צערטלעכן ריר מיט אַ מילדן;
אָ, איך האָב זיך איר ניגון דערמאָנט,
װאָס מיט אים זי פֿאַרװיגט אירע קינדער.

אַז איך קאָן ניט דעריאָגן איר קול
אַז אַראָפּגעלאָזט ערגעץ איר בליק איז;
נאָר זי װיגט מיך און זינגט װי אַ מאָל
און איך ― איך גײ אױס פֿון מתיקות.

ס’יאָגן װינטן זיך אָן, אָן אַ שיעור.
זײ באַפֿאַלן דאָס ליד, דאָס באַגינטע;
נאָר די מאַמע… זי שטײט נעבן מיר.
װי אַ מאָל, װי בײַ נאַכט אין דער קינדהײט.

1948

Deutsche Transkription
s = stimmhaft, ss = stimmlos, z wie deutsches z, ch immer (auch am Wortanfang) wie in ach; ie ist kein langes i, sondern die beiden Laute nacheinander: fri-er (früher)

DI MUSE

Ich gedenk nit, woss schpeter, woss fri-er,
Ojf a chwalje in cholem farschwind ich. — chwalje: Welle, cholem: Traum
Nor di mame, — si schtejt nebn mir. nor: nur
Wi a mol. Wi baj nacht. In der kindhajt. – a mol: einmal

Wen si hot nit gewusst zi ich schlof. – zi: ob
Wen si hot nit gehert, zi ich otem (atme)
Un is borwess arop funem bet un a lof, – lof: Spurt (barfuß aus dem Bett gejagt)
Un fun schrek nit gewusst — wu a trot ton. – vor Schreck. wu: wo; trot ton: Schritt tun

Ojf der chwalje — ir blassleche hant
Mit a zertlechn rir mit a mildn; – rir: Bewegung
O, ich hob sich ir nign dermont, – nign: Melodie, dermont: erinnert (ich hab mich an ihre Melodie erinnert)
Woss mit im si farwigt ire kinder. (mit der sie ihre Kinder in Schlaf wiegt)

As ich kon nit derjogn ir kol – derjogn ir kol: ihre Stimme einholen
As aropgelost ergez ir blik is; – as: wenn, dass; aropgelosst: aufgelöst; ergez: irgend
Nor si wigt mich un singt wi a mol
Un ich — ich gej ojs fun metiket. (? ich vergeh vor Entzücken)

S’jogn wintn sich on, on a schir. – on a schir: zahllos
Sej bafaln doss lid, doss baginte;
Nor di mame… si schtejt nebn mir.
Wi a mol, wi baj nacht in der kindhajt.
1948

Wenn man nicht jeden Vers genau versteht – geht es nicht bei Hölderlin manchmal genau so? Es ist trotzdem schön. Hier kann man es gesungen hören (und in englischer Transkription und englischer Übersetzung lesen).

Ungefähr frei und reimlos übersetze ich es so:

Ich weiß nicht, was später, was früher.
Auf der Welle verschwind ich im Traum.
Nur die Mama, sie steht neben mir
Wie schonmal. Wie bei Nacht. In der Kindheit.

Und sie hat nicht gewusst, ob ich schlaf.
Und sie hat nicht gehört, ob ich atme.
Und sie springt aus dem Bett mit nem Satz
und vor Schreck nicht gewusst wo sie hintritt.

Auf der Welle – die blässliche Hand
die sich zärtlich bewegt und sehr sanft.
Und das Lied schlägt ins Ohr mir mit dem
sie uns Kinder gelullt bis wir schliefen.

Und ich kann nicht erjagen die Stimme
und den Blick nicht in dem sie sich auflöst.
Doch sie wiegt mich und singt wie schon mal
und ich, ich vergehe vor Wonne.

Winde jagen sich endlos und kalt
und befallen das Lied das mir träumte
Nur die Mame, sie steht neben mir
wie schon mal, wie bei Nacht in der Kindheit.

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