Ich bin a Jid!

lzik Fefer

(auch Feffer, jiddisch איציק פֿעפֿער, russisch Ицик Фефер, Исаак Соломонович Фефер; geboren 10. September 1900 in Schpola, Gouvernement Kiew, Russisches Kaiserreich; gestorben 12. August 1952 in Moskau)

Er war ein bedeutender Dichter und ein frommer Kommunist. Stalin ließ ihn in New York für Unterstützung im Kampf gegen Hitler werben. „Im Juli 1943 wurden Michoels und das Präsidiumsmitglied Izik Fefer von der Kriegspropaganda-Behörde zu einer siebenmonatigen Reise in die USA, Mexiko, Kanada und England entsandt. Eine halbe Million Menschen besuchte die Massenversammlungen in 46 Städten. 45 Millionen Dollar wurden im Westen für die Rote Armee gesammelt.“ (Arno Lustiger). Nach dem Krieg brauchte er die Juden nicht mehr. Michoels, ein berühmter Schauspieler, wurde in einem vom Geheimdienst inszenierten Verkehrsunfall getötet – und mit einem Staatsakt geehrt. Bei den anderen war man weniger zimperlich. In der Nacht des 12. August 1952 ließ Stalin (dem auch Fefer Oden gewidmet hatte) führende jiddische Intellektuelle erschießen, unter ihnen Izik Fefer und weitere Dichter (man nennt es auch bitter die Nacht der toten Dichter). Hier eins seiner Gedichte.

Ich bin a jid!

Der Wein von uralten Geschlechtern
hat mich gestärkt auf Wanderschaft.
Die Folterpein von Menschenschächtern
hat nicht zerschlagen meine Kraft –
mein Volk, mein Glauben, alles was sich
in Freiheit ausformt und erblüht.
Noch unterm Schwerthieb schrie ich, daß ich
ein Jude bin – Ich bin a jid!

Kein Pharao, nicht Titus Heere,
noch Hamans Ränke seinerzeit
nahmen den Stolz mir. Meine Lehre
ruht in der Hand der Ewigkeit.
Mein Lebensmut ist nicht gebrochen
auf Scheiterhaufen vor Madrid.
Mein Ruf hallt zeitlos durch Epochen:
Ich bin a jid!

Ägypten hat in Stein geschlossen
mir meinen Leib. Ich hab mit Zorn
und Tränen braches Land begossen
und eine Sonne ward geborn.
Die Sonnenstrahln durchs Dunkel brachen,
wo sich mein Weg durch Diesteln zieht,
die stumm nach meinen Augen stachen,
Ich bin a jid!

Fast vierzig Jahre frühes Leben
bin ich geirrt im Wüstensand,
das hat mir Alterskraft gegeben,
Bar Kochbas Ruf ins Herz gebrannt.
Was ich auf Erden auch erleide,
den Starrsinn meiner Ahnen hüt‘
ich mehr als Gold, als Samt und Seide,
Ich bin a jid!

Was gilt mir Gold? Konnt es denn stillen,
als nirgendwo ein Obdach war,
mein Sehnen, meinen Geist und Willen?
Mehr Stärke gab mir Simsons Haar,
das Delila dem Recken raubte,
vor seinem Bronzeton verglüht,
was sich die Welt an Münzen klaubte:
Ich bin a jid!

Die Faltenstirn von Reb Akibe,
die Weisheit von Jesajas Wort
sie nährten meinen Durst – zu Liebe
und Haß zugleich. In mir lebt fort
der Schwung der Makkabäer-Helden
und ihr rebellisches Gemüt,
hört mich von den Schafotten melden:
Ich bin a jid!

Die Klugheit Salomos war meines
Wandererschicksals fester Halt,
das schiefe Lächeln Heinrich Heines
hab ich mit meinem Blut bezahlt.
Und wie Halevis Zauber klangen,
hab ich im Ohr und werd‘ s nicht müd‘,
vernichtet oft, doch nie vergangen:
Ich bin a jid!

Der Marktlärm, Amsterdamer Treiben
Spinoza hat es nicht gestört,
zur Straße hörn, heißt Mensch zu bleiben;
die Sonne Marxens auf der Erd‘
hat aufgefrischt und neu gerötet
mein altes Blut, ihr Rot durchzieht,
mein Feuer, das ihr niemals tötet –
Ich bin a jid!

Und meine Augen widerspiegeln
den Schein, die Stille und den Drang
vom Licht auf Vorderasiens Hügeln,
von Mendeles gebeugtem Gang,
den Schliff russischer Bajonette,
den Glanz der Ähren unterm Schnitt,
ich bin ein Sohn unsrer Sowjete –
Ich bin a jid!

Der Echohall in Haifas Hafen
schwingt nach in meiner Stimme Klang
dank unsichtbarer Telegraphen
durch Meer und Täler. Zu mir drang
der Puls von Buenos Aires‘ Plätzen,
und aus New York ein jiddisch‘ Lied
der Schauder vor Berlins Gesetzen
Ich bin a jid!

Ich will die Feindesschar verstreuen,
die mir schon grub ein Gräberfeld,
mich unter roten Fahnen freuen
des Lebens, einer neuen Welt,
will meine Weingärten bepflanzen
und selbst sein meines Glückes Schmied;
ich werd auf Hitlers Grab noch tanzen!
Ich bin a jid!

(gekürzt)

Übersetzt von Andrej Jendrusch

Aus: Mitzwat zekhor – das Gebot des Gedenkens. 6. Tage der jiddischen Kultur. Theater unterm Dach. Berlin, Januar 1992. Berlin, Bonn: Deutsche Unesco Kommission, 1991, S. 36f

Itzik Feffer reads his poem Ikh bin a yid – איך בין א ייד (der Vortrag ist auch eindrucksvoll, wenn man kein Jiddisch versteht – zumal viele Wörter den Deutschen bekannt vorkommen. Und wer genau hinhört, wird an den Namen von Stalin und Swerdlow merken, welche Strophen hier ausgelassen wurden.)

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