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Veröffentlicht am 15. Mai 2019 von lyrikzeitung
Anna Griva
(* 1985 Athen)
die kinder hatten niemals märchen gehört hatten nicht gelernt gerüche zu unterscheiden und farben auszuwählen im frühling in blühenden gärten sie hatten auch nie getanzt im gold des weizens in einem frühen sommer hatten nie beere für beere die trauben des augusts gepflückt die füße nie tief tief in den schnee versenkt und hatten niemals die blätter des novembers am boden und in die luft wirbeln lassen sie gaben ihnen eine farbe so etwas ähnliches wie silber aber niemand kann sie benennen und sie sagten ihnen es reicht um zu leben wie du es siehst ausgebleicht auf den mülltonnen auf den uniformen der söldner auf den falschen schmuckstücken am draht des zaunes die kinder haben nie märchen gehört sie haben nur ein leben verbraucht damit sie die nacht schlaflos auf ihren armen halten können und diese hat eine hand und vorn an der hand einen haken ein überbleibsel geschenk eines piraten der zieht ungeborene menschen und tote eingeweide herauf
Aus: Anna Griva: Glaub den Wörtern nicht. Sieh hin. Gedichte. Übersetzt von Jorgos Kartakis und Dirk Uwe Hansen. Leipzig: Reinecke & Voss, 2019, S. 44
Kategorie: Griechenland, GriechischSchlagworte: Anna Griva, Dirk Uwe Hansen, Jorgos Kartakis
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