9. Brief aus Charkow

Brief russischer Schriftsteller und Dichter aus Charkow. Sie bitten, ihn durch die Medien zu verbreiten.

Auszug (unten der vollständige Originaltext):

Am 1. März hat Russlands Föderationsrat den Appell des Präsidenten der Russischen Föderation für umfassende Maßnahmen zum Schutz der Russen in der Ukraine unterstützt, das Eindringen der russischen Streitkräfte in ukrainisches Territorium eingeschlossen. Am selben Tag haben die städtischen Behörden in regionalen Zentren der östlichen Ukraine prorussische Kundgebungen inspiriert. Die Demonstranten, darunter solche, die in Bussen mit russischen Kennzeichen hertransportiert wurden (http://www.mediaport.ua/shturm-obladministracii-v-harkove), stürmten das regionale Verwaltungsgebäude, wo sie Anhänger des Euromajdan verprügelten, darunter auch den berühmten Schriftsteller Serhiy Zhadan (er kam ins Krankenhaus mit starken Verwundungen am Kopf, Gehirnerschütterung und wahrscheinlich gebrochener Nase); ein russischer Staatsbürger, wohnhaft in Moskau, kletterte auf das Gebäude der regionalen Verwaltung und brachte die russische Flagge an.

(…)

Wir, russische Schriftsteller Charkows, sind ukrainische Bürger, und wir brauchen keinen militärischen Schutz aus einem anderen Staat. Wir wollen nicht, daß unter dem rhetorischen Deckmantel des Schutzes unserer Interessen Truppen eines anderen Staates in unsere Stadt und unser Land einrücken und das Leben unserer Familien und unserer Freunde gefährden. Alles was wir wollen ist in Ruhe und Frieden leben.

  • Anastasia Afanasjewa, Preisträgerin des „Russisches Preises“ und des  „LiteratuRRöntgen“, Shortlist  „Debut“-Preis
  • Dmitri Dedjulin, Dichter, Schriftsteller
  • Elena Donskaja, Schriftstellerin, Lehrerin
  • Inna Zacharowa, Lyrikerin, Menschenrechtlerin
  • Andrej Klimau, Schriftsteller
  • Swetlana Klimow, Autorin
  • Wladislaw Koltschigin, Dichter
  • Alexander Kotscharjan, Dichter
  • Andrej Krasnjastschich, Mitherausgeber der Literaturzeitschrift „©ojus Pisatelej“ (Schriftstellerbund), Shortlister Andrej-Bely-Preis, „Nonkonformismus“-Preis, O. Henry- und Daniil Charms-Preis, Long-Lister „Russischer Preis“ 
  • Alexandra Mkrtschjan, Longlist „Russischer Preis“ 
  • Kirill Nowikow, Dichter
  • Sergej Pankratow, Schriftsteller
  • Oleg Petrow, Dichter, Schriftsteller
  • Andrej Pitschachtschi, Schriftsteller, Künstler
  • Irina Skatschko, Dichterin, Journalistin
  • Juri Solomko, Shortlister „LiteratuRRöntgen“, Longlister „Debüt-“ und „Russischer Preis“
  • Tatjana Poloshij, Dichterin
  • Juri Zaplin, Mitherausgeber der Literaturzeitschrift „©ojus Pisatelej“ (Schriftstellerbund),  Gewinner beim Festival der zeitgenössischen Kunst „Kulturelle Helden — 2002“
  • Swetlana Schewtschuk, Schriftstellerin
  • Wiktor Schepelew, Programmierer, Schriftsteller
  • Wladimir Jaskow, Dichter, Übersetzer

Письмо-обращение русскоязычных писателей и поэтов из Харькова. Просят распространить через СМИ. Если у кого есть возможность – посодействуйте:

1 марта Совет Федерации России поддержал обращение президента РФ принять исчерпывающие меры по защите русских в Украине, вплоть до введения на её территорию российских Вооружённых Сил. В этот же день в областных центрах востока Украины прошли инспирированные городскими властями пророссийские митинги. В Харькове участники митинга, и среди них привезённые в автобусах с российскими номерами (http://www.mediaport.ua/shturm-obladministracii-v-harkove), штурмом взяли здание областной администрации, в котором находились сторонники Евромайдана, избили их, в том числе известного писателя Сергея Жадана (он попал в больницу, с рассечением головы, сотрясением мозга и подозрением на перелом носа); гражданин России, житель Москвы, забравшись на здание обладминистрации, установил на нём российский флаг.
Официально Совет Федерации руководствуется якобы фактом многочисленных заявлений об ущемлении прав русских в Украине. Если таковые заявления существуют, они должны быть обнародованы и каждое досконально изучено.
Мы, русские писатели Харькова, хотим, чтобы были услышаны и наши голоса: мы свободно, на работе и вне её, общаемся на русском языке, и с украинскими коллегами тоже. В любом случае дискутируемые вопросы языкового ли, национального ли характера не могут быть поводом к военной интервенции.
Мы, русские писатели Харькова, — граждане Украины, и нам не требуется военная защита со стороны другого государства. Мы не желаем, чтобы, прикрываясь риторикой о защите наших интересов, другое государство вводило свои войска в наш город и страну, подвергало опасности жизни наших родных и друзей. Всё, что нам нужно, — это мир и спокойная жизнь. И реальную угрозу этому несёт решение Совета Федерации России и военное вторжение.

Анастасия Афанасьева, лауреат «Русской премии» и премии «ЛитератуРРентген», шорт-листер премии «Дебют»
Дмитрий Дедюлин, поэт, писатель
Елена Донская, писатель, педагог
Инна Захарова, поэт, правозащитник
Андрей Климов, писатель
Светлана Климов, писатель
Владислав Колчигин, поэт
Александр Кочарян, поэт
Андрей Краснящих, соредактор литературного журнала «©оюз Писателей», шорт-листер Премии Андрея Белого, премий «Нонконформизм», им. О. Генри и им. Даниила Хармса, лонг-листер «Русской премии»
Александра Мкртчян, лонг-листер «Русской премии»
Кирилл Новиков, поэт
Сергей Панкратов, писатель
Олег Петров, поэт, писатель
Андрей Пичахчи, писатель, художник
Ирина Скачко, поэт, журналист
Юрий Соломко, шорт-листер премии «ЛитератуРРентген», лонг-листер премии «Дебют» и «Русской премии»
Татьяна Положий, поэт
Юрий Цаплин, соредактор литературного журнала «©оюз Писателей», лауреат республиканского фестиваля современного искусства «Культурные герои — 2002»
Светлана Шевчук, писатель
Виктор Шепелев, писатель, программист
Владимир Яськов, поэт, переводчик

7 Comments on “9. Brief aus Charkow

    • weil das eine lyrikzeitung ist und bleiben möchte, lieber herr heinich. ich will hier weder pro- noch anti-propaganda und weder stammtisch noch politischen richtungsstreit, es sei denn in bezug auf den literarischen inhalt der nachrichten. mir reicht schon die aufmerksamkeit der propagandakompanie(n). alle anderen medien stehen selbstverständlich jedem offen.

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  1. schon zum zweitenmal wird mir ein link auf eine prorussische propagandaseite als kommentar geschickt. solche politischen kommentare und links werde ich nicht zulassen. ich bitte auch die leser der lyrikzeitung, keine rein politischen kommentare unter meine literaturnachrichten zu schreiben.

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  2. „Wenn aber das Publikum sich mit dem konkreten Universum identifizierte, dann hätte der Schriftsteller wahrlich über die menschliche Totalität zu schreiben. (…) wenn die Literatur sich eines Tages ihres Wesens erfreuen soll, dann wird der Schriftsteller ohne Klasse, ohne Kollegen, ohne Salons, ohne großartige Ehrungen, ohne Würdelosigkeit in die Welt und unter die Menschen geworfen werden, (…) Der Schriftsteller wird die Welt unverändert wieder in Besitz nehmen – ganz roh, schwitzend, stinkend, alltäglich, um sie auf der Grundlage einer Freiheit Freiheiten darzubieten. (…) In einer Gemeinschaft, die immer wieder zur Besinnung kommt, sich beurteilt und verwandelt, kann das geschriebene Werk eine wesentliche Voraussetzung zur Tat sein, d.h. das Moment eines reflektiven Bewußtseins. So würde in einer nicht erstarrten Gesellschaft ohne Klassen und ohne Diktatur die Literatur ganz ihrer selbst bewußt werden: sie würde begreifen, daß Form und Inhalt, daß Publikum und Stoff identisch sind, daß die formale Freiheit des Redens und die materielle Freiheit des Handelns sich gegenseitig ergänzen (…) Selbstverständlich handelt es sich hier um eine Utopie: es ist möglich, eine solche Gesellschaft sich vorzustellen, aber wir verfügen praktisch über kein Mittel, sie zu verwirklichen.“
    Jean-Paul Sartre, in: WAS IST LITERATUR? (1950)

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  3. jemand schickt ein dramatisches youtube-video, um der „offensichtlicher Desinformation und Hetze“ der charkower schriftsteller etwas entgegenzusetzen. hier ist aber kein raum für nicht überprüfbare politische materialien. serhij zhadan kenne ich aus büchern und live, marina weisband kenne ich, das sind keine faschistischen hetzer, sondern für mich glaubwürdige zeugen. unter dem brief aus charkow stehen viele namen, ich habe sie gegoogelt, man kann – vor allem mit den russischen namen – ihre texte finden, auch die genannte schriftstellervereinigung. ich habe auch das foto des schwerverletzten zhadan in den nachrichten gesehen. lyrikzeitung wünscht keine politischen streitgespräche, aber wenn ein schriftsteller, ein dichter mißhandelt, verhaftet, getötet wird, gehört das auch in diese zeitung. leider allein in diesem jahr schon viel zu oft aus verschiedenen teilen der welt. – mir ist bekannt, daß in der ukraine nicht nur demokraten am werk sind. jenes video aber, dessen wahrheitsgehalt ich nicht überprüfen kann, sieht aus wie aus einer russischen propagandawerkstatt. wenn amerikanische geheimdienste sich nicht zu schade sind, eine deutschsprachige lyrikseite zu beehren, warum nicht auch russische? aber zu ihrem sprachrohr möchte ich die lyrikzeitung nicht verkommen lassen.

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  4. aus solidarität mit den ukrainischen kollegen das hier:

    „Materielle Sorgen und Abhängigkeiten beeinträchtigen die geistige Freiheit. (…) Die Politik braucht den Schriftsteller, weil er der Gesellschaft Bilder vermittelt, die auch von politischer Relevanz sind. (…) Der Politiker, der die Bedeutung der Literatur real einschätzt, kann von vielem, was sie anbietet, profitieren. (…) Je vielfältiger die Literatur ist, um so größer ist die Chance, daß die Politik zum Nutzen der gesamten Gesellschaft von der Literatur profitiert.“
    Willy Brandt, in: BRAUCHT DIE POLITIK DEN SCHRIFTSTELLER? (1974)

    Herold Himmelfahrt, 6.3.2014
    © POEMiE™ @ http://www.WELTPOESIE.de

    FRÜHLINGSAHNEN

    die sonne scheint es ist
    zu schön um krieg zu führen
    ich beneide alle tiere
    die nicht fragen ob
    es einen grund für das
    vorhandensein des universums gibt
    den dichter braucht man nicht
    mehr seit die bürger selber reime
    schmieden wie weltmeister und sich
    gegenseitig stolz belohnen geld
    fließt überall wo freiheit nur
    ein nettes wort die sonne
    scheint es ist zu schön
    um krieg zu führen

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  5. Pingback: Brief aus unserer Partnerstadt Charkow (Ukraine)

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