Friedrich Müller
(Johannes Friedrich Müller, genannt Maler Müller oder Teufelsmüller, * 13. Januar 1749 in Kreuznach; † 23. April 1825 in Rom)
Der seraphische Dichter Für Engel, nicht für Menschen sang der Dichter sein Gedicht? Was Menschen nicht erfreuet, ergötzt auch Engel nicht.
Quelle:
Friedrich Müller (Maler Müller): Werke. Band 1, Mannheim und Neustadt/Hdt. 1918, S. 140-141,177.
Permalink:
http://www.zeno.org/nid/20005413192
Illustration von Friedrich Müller zu Ludvig Holberg: Niels Klims unterirdische Reise
Beim Blättern in einer Anthologie stieß ich auf ein kurzes Gedicht, aber es machte stutzig. Es war offensichtlich nur der Anfang eines Gedichts. Es waren provenzalische Trobadorlieder, der Verfasser, Guillem Anelier, lebte im 13. Jahrhundert in Toulouse. Er nennt gleich am Anfang die Gattung seines Gedichts: Sirventes (betont auf der letzten Silbe). Meyers Großes Konversations-Lexikon 1909 sagt darüber:
Sirventés (Rügelied), eine Gedichtgattung, die sich zuerst bei den Provenzalen findet, wo sein Inhalt sich auf Politik oder Sittenzustände bezieht, seine Form und Melodie nicht, wie die Form der Kanzone, in jedem Fall neu geschaffen zu sein braucht, sondern einer Kanzone entlehnt werden kann. Der Meister des politischen S. war Bertran de Born, des moralischen Peire Cardinal, des Kreuzliedes Pons de Capdolh. Der Name S. ist von sirvent, »Diener«, herzuleiten, also ursprünglich im Dienste eines Herrn verfaßtes Gedicht. – Das französische Serventois (spr. ßerwangtŭá) hat zunächst denselben Begriff wie das S. der Provenzalen; daneben bezeichnet es im 13. Jahrh. auch moralisierende Gedichte in Reimpaaren und im 14. Jahrh. besonders Kanzonen zum Lobe der Jungfrau Maria. Auch für das italienische Serventese (Sermintese) ist von der Definition des provenzalischen auszugehen. Doch wurde seit dem Ende des 13. Jahrh. die Benennung Serventese in Italien statt auf den Inhalt auf die Form bezogen und für Dichtungen in kurzen (meist 3–5zeiligen), durch Übergreifen der Reime und oft auch des Sinnes untereinander verketteten Strophen angewandt. Am häufigsten ist die Strophe aus drei Elfsilblern auf einen Reim und einem Fünfsilbler mit abweichendem Reime. Vgl. Witthöft, S. Joglaresc. Ein Blick auf das altfranzösische Spielmannsleben (Marburg 1891); Nickel, S. und Spruchdichtung (Berl. 1907).
Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 501. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20007481519
(Echt gute Konversationen führte man damals!)
Das Fragment in Kannegießers Übersetzung lautet:
Guillem Anelier Wohlan, nun halt ich mich nicht mehr, Und dicht’ ein fröhlich Sirventes, Auch dem Gedächtnis nicht zu schwer, Nur nicht zum Singen, ich gesteh’s. Die Reichen kümmert es nicht sehr, Sie, deren Sinn nach Gold nur giert, Drum vor so weltlichem Begehr All’ edle Tatkraft sich verliert.
Die fahrenden Sänger. Liebeslieder und Gesänge der Troubadours. Ausgewählt und übersetzt von Karl Ludwig Kannegießer. Köln: Anaconda, 2012, S. 465. Im Original: Gedichte der Troubadours im Versmaß der Urschrift, Tübingen 1852, 2. Aufl. 1855, S. 454
Leider hört Kannegießers Fragment auf, bevor es richtig zur Sache geht. Ehrlich gesagt ziemlich liederlich ediert. Zum Glück gibts die Weltbibliothek, und ich fand das Original und eine Prosaübersetzung, für heute hier die ersten drei Strophen.
Jetzt werde ich, nicht kann ich mich enthalten, ein Sirventes machen in diesem heitern Ton, mit guten Versen; die leicht zu behalten sind, obgleich Singen, wie es sonst zu geschehen pflegte, mir nicht behagt. Denn die Reichen sind so gleichgültig, dass sie darüber den Preis dieser Welt verlieren. Denn Habsucht gewinnt Herrschaft über sie, wesshalb Edelsinn sinkt und zu Grunde geht. Denn jetzt gereicht nicht zur Freude Lustbarkeit und Kurzweil und ächte Vorzüge; vielmehr wächst fürwahr Schlechtigkeit‚ und Falschheit tritt der Wahrheit entgegen. Und Adel zieht sich Schande zu durch gemeine Betrüger, wesshalb alles Gute zu Grunde geht; denn so sehr sind sie voll von schlechter Begierde, dass jede gute That sich vor ihnen verbirgt. Und wer von ihnen Gunst haben will, wird ohne Milde, von roher Gesinnung sein, und wird jede That um des Besitzes willen verrichten. wenn er nur solchen habe; denn alsdann wird er darum mehr geehrt und als ein Verwandter gehalten werden, und sei er auch gekommen, woher er wolle (ich weiss nicht woher); denn jetzt wird ein tüchtiger Mann nicht geschätzt, wenn er nicht viel hat, womit er sich helfen kann (könne).
Textfassung des Instituts für katalanische Studien aus Barcelona, dort auch das Bild der Handschrift:
Quelle des Originaltexts::
Der Troubadour Guillem Anelier von Toulouse: Vier provenzalische Gedichte. Herausgegeben und erläutert von Martin Gisi. Solothurn: J. Gassmann, 1877
Charles Simic
(* 9. Mai 1938 in Belgrad; † 9. Januar 2023 in Dover, New Hampshire)
Kohlhaupt Sie wollte eben den Kopf entzweischlagen, da ließen sie meine Worte zaudern: «Das Kohlhaupt symbolisiert das Geheimnis der Liebe.» Das behauptete wenigstens Charles Fourier, der noch viele andre wunderbare Dinge gesagt hat, weshalb ihm die Leute nachsagten, er sei verrückt, worauf ich ihren Nacken küßte, sanfter denn je, worauf sie das Kohlhaupt entzweischlug mit einem einzigen Hieb ihres Messers.
Aus dem Amerikanischen von Hans Magnus Enzensberger, in: Atlas der neuen Poesie. Hrsg. Joachim Sartorius. Reinbek: Rowohlt, 1995, S. 340
Cabbage She was about to chop the head In half, But I made her reconsider By telling her: «Cabbage symbolizes mysterious love.» Or so said one Charles Fourier, Who said many other strange and wonderful things, So that people called him mad behind his back, Whereupon I kissed the back of her neck Ever so gently, Whereupon she cut the cabbage in two With a single stroke of her knife.
L&Poe Journal #03-2023
Mailwechsel zwischen Konstantin Ames und Michael Spyra
Betreff: Neid is falling Datum: 12.10.2022 11:55 Von: Konstantin Ames <—@—> An: michael spyra <—@—>
Zu jeder Art Wettbewerb gehört die entsprechende Einstellung. Und die fehlt einigen, nicht wenigen Lyriks. Ich bin nie eine Sportskanone gewesen, war aber nie unsportlich. Neid auf die Konkurrenz? Nie. Fremdscham? Fast immer. Mir ist immer klar gewesen: Die Chancen stehen 1:x … Unterfertigter hat nie gemauschelt, nie aufgrund von persönlichen Sympathiewerten Preise erhalten. Einzige Ausnahme: Ich kannte beim Lyrikpreis Meran einen Juror flüchtig. Und das trug mir die zweifelhafte Ehre ein, im Beisein eines anderen Finalisten, der leer ausging, von genau diesem Juror unter die Nase gerieben zu bekommen: „Du weißt aber schon, dass Du nur ein Kompromisskandidat warst. Ich hätte ja Person XX favorisiert. Konnte mich aber nicht durchsetzen.“ – Ich kann einfach 90 % des Personals nicht für voll nehmen, weil die (meist kinderlosen) Kollegen noch mit der eigenen Pubertät befasst sind, in jeder Hinsicht. Lyrikproduzenten und der lyrikkritische Zwischenhandel haben in Jurys ebenfalls nichts verloren, deshalb gibt es ja Fachleute für Literatur, Sprechen, Kommunikation, deren Forschung gehört in öffentlichen Foren diskutiert, daran sollte seitens der Wissenschaft ein vitales Interesse bestehen. So hielte auch ein populärerer Ton Einzug. Sonst dauert es nicht mehr lange, bis aus Fokusgruppe Lyrik ein Thinktank wird, ein poetischer Denkpanzer … sehr deutsch, und daher sehr wahrscheinlich.
Dir ist sicher noch eine Redewendung geläufig, die die Misere des Poetenlebens ziemlich gut umreißt: Jemand ist „durchgesetzt“ oder er ist eben im Begriff „durchgesetzt zu werden“. Die Rolle der Schreibenden ist dabei vollständig passiv gedacht. Und Du wirfst ja auch die Fragen auf, wie sich in Betriebssituationen zu verhalten wäre, um opportun zu handeln. Gar nicht opportun handeln! Sondern neugierig sein, v.a. freundlich solange es geht. Außer wer erzählt brühwarm Lügen über dich. Für die Begegnung mit Rufmördern sei immer eine faltbare Tür zur Hand. Neidisch wäre ich im Grund nur auf Lineale, Messbecher, und so Zeugs, die sind immer genau. Und sie bedürfen keiner Rechtfertigung. Aber sie sind auch so verdammt seelenlos. Und wenn es von etwas mehr sein dürfte, dann davon: Seele. Gänse, Häute gibz ja jenuch. Seele ist nicht da für die A)nderen oder die B)andern, sondern für dich. Hat was keine Seele, dann schreib es nicht auf. Hat was Seele, dann hat es keinen Preis nötig, erst recht keinen Lyrikscheiß. Sollen die andern Arschkrebs und Karies kriegen.
Donʼt night, good, tight, never let the spitzenteeth you bite! K.o
Betreff: Aw: Neid is falling Datum: 13.10.2022 09:18 Von: michael spyra <—@—> An: Konstantin Ames <—@—> Lieber KO,
ich habe mich über Ihren Brief sehr gefreut. Nun da wir uns eins waren, dass es weniger um den Text, als um den Autor geht und nachdem wir den Klüngel im Betrieb zum Thema hatten und dass das alles Scheiße ist, wird es niemanden interessieren, wie Sie oder ich oder wir oder sonst irgendwoher seine Lorbeeren gewonnen hat. Ob da nun einer bei zwinkert oder man als Kompromiss zur Welt gekommen ist. Egal! Die Kohle ist e immer zu wenig und läuft immer nur darauf hinaus, mit einem Preis an den nächsten zu kommen, bis dann mal irgendwas Fünfstelliges dabei ist, um sich ein Jahr auf die faule Haut legen zu können. Nein, Quatsch… Wenn die Maschine läuft, darf man sich nicht mehr rausziehen, weil ja auch immer gleich alles so schnell wieder nach- und zuwächst. Und wie die Lyris besetzt sind… Hach! Es ist ja immer auch ein hübsches Zubrot für die aus dem Alter gefallenen Kolleginnen. Schau schauen Sie den Merzliterarischen. Da geht das Geld aus den Stall an den Stall. Oder den Neutruewriter: vom Verlag an den Verlag. Man darf sich dabei auch nicht selbst im Wege stehen.
Das mit der Seele gefällt mir! Ja Seele muss es haben. Hat es das? Ist auch irgendwie Quatsch. Gefällt mir aber als solcher ganz wunderbar, weil es ein toller Anspruch ist. Seele kommt und geht nämlich. Und auch der Seelendetektor ist immer mal ein bisschen anders eingestellt. Wissen wir ja auch schon seit 20 Jahren, dass die Straßenlaterne, an der wir täglich vorbeikommen, erst zu einem gewissen Zeitpunkt erblüht. Dann wieder nicht und weg ist. Liest man ja auch schon Nachtlied Goethes oder der Halbzeit von Hölderlin: Wenns klappt, ist es da und man probiert es einzufangen und haltbar zu machen in der ewig missverständlichen Sprechsprache und auch da sieht es ein jeder nicht auch immer gleich so.
Ein Leben als Überzeugungstäter und Haltung im Betrieb. Integrität, Authentizität und auch diese dürfen sich mit Erfahrung und Erkenntnis ändern. Das soll nicht heißen heute so morgen so. Aber wenn die eigene Pubertät dann auch irgendwann mal kinderlos mit dem ersten Nervenzusammenbruch oder Zucker abgeschlossen sein sollte, ist auch dem schlimmsten Juror ein Haltungswechsel gestattet.
Ja, jetzt hat dieser Briefwechsel tatsächlich was Knackiges, find ich und auch persönlich. Das macht mir Freude und vielleicht kommen wir hier doch noch auf eine Lösung, die mehr ist als: „Man muss einfach sein Ding machen und die Arschgeigen geigen lassen.“?
Liebe Grüße Emmes
Betreff: Seelen duzen sich (diese Version) Datum: 14.10.2022 09:22 Von: Konstantin Ames <—@—> An: Michael Spyra <—@—>
Ik siezte nur meiner Oma Mietze/ hieß Mieschen war ein bisschen/ grauenvoll verschont von Ersäufung/ Diesen Wettbewerb hat jeder schon gewonnen./ Wirklich jeder war schon in./ Das weiß jede Seele, darum ergibt sie auch Sinn.// Bloß das Mensch drumherum/ Brennt so auf Anhäufung/ von Plunder understanding Bonzen/ Da haben wir den Kulturschizo …
Nämlich sobald nicht mehr nach Schizo-Culture gefragt wird. Und es wird seit den 1980ern nicht mehr lautstark und hörbar danach gefragt, lieber Emmes. Den literarischen Schmerz konnte man schon ganz anders erleben. Lustig war, dass am Ende der Zeremonie Krolow rezitiert wurde von einem Schauspieler. Dichtung ist aber nicht darstellendes Fach. Anfang müsste sein, Dichter Dichter lesen zu lassen. Ein Dichterleben ist auch nicht verfilmbar. Kein Film über Rilke, keiner über Celan. Brecht? Ja, aber doch den politischen Brecht, der Staatskünstler war wie Goethe. Ich meine aber das Tagesgeschäft eines Dichters. Was er arbeitet bleibt unsichtbar, es arbeitet in ihm. Und Schauspieler sind, wie Nachrichtensprecher, nun das Gegenteil eines reichen Innenlebens. Siehe Ken Constantin Schreiber. Man kann sie schulen, so zu sprechen, wie es sich spricht, in so einer sozialen Rolle. Dichter ist aber kein Rollenfach. Ein Dichter kann lernen, seiner Stimme zu vertrauen, und sie irgendwann auch zu sein, mehr hat er ja nicht. Und es endet, wenn er seine Stimme nicht findet nicht gut mit ihm. Schiller-, Hölderlin-, Lenzbeispiel. Dichtersein, das ist reine Sozialität:
Humanität. Man lässt nicht schreiben, das kann die K.I. irgendwann eh besser. Siezen Sie meine Hülle ruhig, aber meine Seele duz, dude, sonst reden wir bloß interessant. Wir müssen aber mit Stimme reden. Alles andere wäre — vergleichsweise — Luftgitarre-Spiel, eben Lyrik. Können die Karrieristen, die Literaturbeamtinnen besser.
K.o
Clemens Schittko
Nachruf auf eine Jahreszeit (Berlin Version) es schneit nicht mehr kein Schnee fällt mehr nieder es schneit nicht mehr und wenn es doch noch schneit, so bleibt der Schnee nicht liegen er schmilzt dahin, sobald er den Boden berührt doch wie gesagt: es schneit nicht mehr kein Schnee fällt mehr nieder
Aus: Clemens Schittko, Artaud ist tot (XS-Verlag, Berlin 2022)
Wassily Kandinsky
(russisch Василий Васильевич Кандинский; * 4. Dezember 1866 alten = 16. Dezember neuen Stils in Moskau; † 13. Dezember 1944 in Neuilly-sur-Seine, Frankreich)
DER RISS
Der kleine Mann wollte die Kette zerreißen und konnte natürlich nicht. Der große Mann zerriß sie ganz leicht. Der kleine Mann wollte sofort durchschlüpfen.
Der große Mann hielt ihn am Ärmel, beugte sich zu ihm und sagte leise in’s Ohr:
»das müssen wir verschweigen«. Und sie lachten beide von Herzen.
Aus: Wassily Kandinsky: Klange. digter 1912. Klänge. Gedichte 1912. Kopenhagen: Brøndum, 1989, S. 50
Wassyl Stus
(ukrainisch Василь Семенович Стус, * 8. Januar 1938 in Rachniwka, Oblast Winnyzja; † 4. September 1985 im Straflager Kutschino, Oblast Perm – die Behörden nahmen sogar noch die Leiche in Haft.)
Verstummt ist die Quelle des Herzens. Der dunkle Brunnen trocken und seicht. Schmerz durchzieht die Seele! Wie langsam schreitet die Zeit! 5 Ein Vogel flattert in hundert Richtungen umher – er kreist und kreist und zieht davon. Wen mag er suchen? Deinen Schrei, dein Entsetzen, deinen Schmerz? Wo bist du nur, du Helles Wasser, 10 in dem die stillen Sterne blinkten, in dem die weißen Wolken als Schatten glitten dahin? Verstumme Elend, Sehnsucht halt ein. Denn versiegt 15 ist die Quelle des Herzens. Der Brunnen ist seicht. Die Sprossen der Weide wachsen schreiend ganz heiß empor.
Deutsch von Deutsch von Anna-Halja Horbatsch, aus: Reich mir die steinerne Laute. Ukrainische Lyrik des 20. Jahrhunderts. Deutsch-Ukrainische Edition Lyrik. Auswahl und Einführung Jurij Andruchowycz. Reichelsheim: Brodina, 1996, S. 67
Ущухло серця джерело. Криниця тьмяна обміліла, І висхла. Як душа зболіла! Як час ступає спроквола. В сто летів розметався птах – Покружеляє – кружеляє І відлетить. Кого шукає Той птах – твій крик, твій біль, твій жах? Де ти єси, Ясна водо, де тихі зорі полоскались, Де білі хмари тінню брались. Німій, бідо моя, жадо Моя, бо серця джерело вже обміліло. Обміліла Криниця. І верба пустила Гарячі брості – в крик. Зело.
Anmerkung zur Übersetzung: Vermutlich ist die Übersetzung etwas verblümter als das Original. Mein rudimentäres Ukrainisch sagt mir ungefähr, Kommentar zu einzelnen Stellen (Zeilenangaben nach der deutschen Fassung, die etwas länger als das Original ist): 1 Die Quelle des Herzens ist versiegt (die Formulierung kommt später wieder, 14f: denn die Quelle meines Herzens ist versiegt.). 3: Wie krank die Seele ist! 9: Wo bist du, Klares Wasser? (Adjektiv großgeschrieben – Zitat?) Mein Ukrainisch ist wirklich noch nicht gut genug, ich frage nur und kann mich leicht irren.
Hans Thill
Zwanzig dreiundzwanzig Alles auf Drei, aber wörtlich, Primzahl, "Ach, das ist aqua", der Fluß unter den Erscheinungen. Wie spricht man das? Dreimännerwein. Kautabak. Groschen-Ohr. Drive-in. Das Jahr, in dem noch keiner war. Traminer. Trimurti, Trilce. Trriiil … ce Twenty twenty-three All on three, but literally, primeval number. "Oh, that's aqua". River beneath appearances. How do you pronounce that? Three-legged dribbler. Beggars-ear. Train hurry up. The year that no one's been to yet. Trimurti, Trilce. Trriiil … ce Vingt vingt-trois Tout sur trois, mais littéralement, nombre prémédité. "Ah, c'est aqua", fleuve sous les apparences. Comment le prononce-t-on ? Mons Tabor. Dribbleur. Oreille quatre-sous. L'année, personne n'est encore allé. Triolet, Trimurti, Trilce. Trriiil ... ce
Gerd Adloff
Kleiner chronologischer Ablauf meiner Verwirrungen Die Welt Das Trockenwerden Schleife binden Bruchrechnung Turnübungen Die Pubertät Die höhere Mathematik Kommandos beim Militär Das Militär Bestimmte Übungen aus dem Kamasutra Bauanleitungen Steuererklärungen Rentenverläufe Das Älterwerden Die Welt![]()
Aus: Gerd Adloff: Ist die Musik zu laut? mit Zeichnungen von Kay Voigtmann. Berlin: Corvinus Presse, 2022 (unpag.)
L&Poe Journal #02-2022
L&Poe Journal ist ein (relativ, naja) neues Format der Lyrikzeitung. Nach etwa 16 Jahren mit vorwiegend Zeitungsnachrichten und Links und einigen Jahren als digitaler Anthologie deutscher und internationaler Gedichte (inzwischen weit über tausend) startete ich 2021 mit einer thematischen Ausgabe des Journals zum 150. Geburtstag von Christian Morgenstern (mit Konstantin Ames als Herausgeber). Damals veröffentlichten wir die 15 Beiträgen im Block, Echo und Klickzahlen blieben eher bescheiden. Es ist immer noch nachlesbar und hat lesenswerte Beiträge, aber das digitale Lesen ist noch in der Entwicklungsphase. Oft hört man, und auch nach Erscheinen hörten wir, dass lange Textbeiträge digital nicht funktionieren. Ich weiß nicht, ob es stimmt, ich selber lese Periodika (teilweise verfügbar) und Bücher (massenhaft verfügbar) extensiv digital. Aber mit Nummer 02 probierte ich ein neues Editionsformat. Über einen bestimmten Zeitraum veröffentliche ich Einzelbeiträge, die von einer Benutzeroberfläche zusammengefügt werden, Zeitschrift als work in progress. Geplant waren ein paar Monate, es wurde fast ein Jahr.
Irgendwann ist ein Ende. Journal #02 wird hiermit abgeschlossen. Als Textschwerpunkt gab es Gedichte von starken Frauen (Jayne-Ann Igel, Silke Peters, Mara Genschel, Kerstin Becker, Brigitte Struzyk, Odile Endres, Martina Hefter, Anna Hoffmann und Sophie Reyer). Das ist schon in sich eine kleine aber feine Anthologie. Im ersten Teil eines Dossiers stellte ich die Autorin und Künstlerin Angelika Janz vor. Der Überfall auf die Ukraine gab den traurigen Anlass für einen kleinen Schwerpunkt Ukraine (Wikyrtschak, Ames, Witte). Der Abschnitt Betrachtung und Kritik versammelt Beiträge von Dirk Skiba, Konstantin Ames, Bertram Reinecke, Michael Spyra und Karl-Heinz Borchardt zu so verschiedenen Themen wie Autorenporträts, Versgrammatik, Literaturbetrieb und einen Greifswalder Denkmalstreit. Kurz vor Redaktionsschluss gab noch der Tod des Lyrikkritikers Michael Braun einen traurigen Anlass.
Das Journal geht weiter. Unabgeschlossene Projekte (Literatrue in Zeiten des Wettbewerbs, die 2021er Debatte um Konstantin Ames und das Lesetagebuch zum Ulyssesroman) werden hier in Kürze fortgesetzt. Regionale Themen sollen einen festen Platz im Journal behalten. Schwerpunktthema der neuen Ausgabe wird sein: experimentelles Übersetzen. Danke für vergangenes und künftiges Lesen!
In dieser Ausgabe: Editorial | UKRAINE (Wikyrtschak | Ames | Witte) | NEUE TEXTE (Igel | Peters | Genschel | Becker | Struzyk | Endres | Hefter | Hoffmann | Reyer) | ALTER TEXT ( Poe: Der Rabe | Wobbe: Niejohr) | DOSSIER ANGELIKA JANZ (Delta | Fragmenttexte | Das Un | Sekunde | worte) | BETRACHTUNG UND KRITIK (Statements zum Tod von Michael Braun | Skiba: Das Authentische lehne ich ab | Ames: Der arme Poet und sein Schatten | Reinecke: Über Haltung und Versgrammatik | Ames, Spyra: Literatrue in Zeiten des Wettbewerbs | Borchardt: Greifswalder Denkmalstreit 1854 | Gratz: War da was? Rückblick auf eine Debatte) | TABU (Wendetabu | Lesetabu 1: Spuren | Lesetabu 2: Ulysses | Editionstabu)
Journal #02 wird hiermit abgeschlossen. Als Textschwerpunkt gab es Gedichte von starken Frauen (Jayne-Ann Igel, Silke Peters, Mara Genschel, Kerstin Becker, Brigitte Struzyk, Odile Endres, Martina Hefter, Anna Hoffmann und Sophie Reyer). Das ist schon in sich eine kleine aber feine Anthologie, die wie alles andere hierunter nachgelesen werden kann. Im ersten Teil eines Dossiers stelle ich die Autorin und Künstlerin Angelika Janz vor. Der Überfall auf die Ukraine gab den traurigen Anlass für einen kleinen Schwerpunkt Ukraine (Wikyrtschak, Ames, Witte). Der Abschnitt Betrachtung und Kritik versammelt Beiträge von Dirk Skiba, Konstantin Ames, Bertram Reinecke, Michael Spyra und Karl-Heinz Borchardt zu so verschiedenen Themen wie Autorenporträts, Versgrammatik, Literaturbetrieb und einen Greifswalder Denkmalstreit im 19. Jahrhundert. Kurz vor Redaktionsschluss gab noch der Tod des Lyrikkritikers Michael Braun einen traurigen Anlass. Mehr
ich schreibe dieses gedicht nichtmal in der sprache der opfer obwohl ich sollte denn sie sind es, die antworten suchen, und ich bin es nicht, die sie kennt.
Putin, wehrhafter als dt. Lyrik, die Kiew jetzt tapfer hält. Pootin, du und ich, wir wissen es, dass du nichts hast.
Mariupol Mariupol sein lassen Mund auf weit weiter : fehlt : Wehrstachel wird sich einfinden
ZWAR ist die Ukraine eine Nation, ABER keine richtige. ZWAR ist die Ukraine europäisch, ABER nicht richtig. ZWAR sind wir für territoriale Integrität, ABER die Krim ist doch eigentlich russisch. ZWAR sind wir für Sanktionen, ABER wir schaden uns selbst.
diese busfahrt mit mutter nach w., nächtliche fahrt mit lichtern, trügt mich die erinnerung oder hat sie im kurhaus übernachtet und mich tags darauf in einem bett hinterlassen, an dessen fußende
das meer ist dort, wo immer du suchst, im überschreiten alter küstenverläufe, hier in der niemandslandbucht, steigst über kalk, der irgendeinmal muschelmund,
Sind wir steinsmomente, die früchte uns eingetrieben, nur rum und rumgefahren um die langen bärte der vorfahren
hier lief kein film, man traf sich stets zur selben stunde, mittags wie in der frühe, das hatte etwas von trotz, in der stablosen zelle –
Frauentag. Schreiben verändert die Wahrnehmung, ist eine heftige Trance. Bilder verschmelzen bei über eintausend Grad im Lagerfeuer.
Ich weiß nicht. Nachts schriebinne ich sie alle an. Erst nachts stand, wie lieb ins Regal gestellt: (ich/nichts Gebrauchte Kartons.) Ich les nichts, Simone, und
der Brustkorb hob und senkte sich fiebrig schnell als wär der Leibhaftige hinter ihr her, die Sonde quer übers Gesicht
siehst du die Speckgürtel und Ghettos um die Städte Abriegelsystem humanus ich gehör der Kaste Allerletzter an
fort hier kein Wort wir suchen so lang schon im Daumenlutschen Trost
Die Müllabfuhr heißt hier Ernst Sie fährt vor den Wolken den Berg hoch An den Wiesen vorbei Vorbei an dem Duft von Pestwurz und Augentrost Ehrenpreis und Dost
Und geschwärzt hat sich schon Alles Weiße im Wind Kerzengrade wird Nacht In den Schnee geweht
Wo sich die Wiesenseiten senkten Dass jach ein Tal entstand mit alten Apfelbäumen Den Hang hoch frühlings Veilchenwiesen Und in den Weiden Kletternester
Das große Fleisch wankt auf mich zu Und wirft den Springinsfeld so hoch, dass er die Schweine pfeifen hört
Es legen sich die vordiktierten Zeilen Aufs reine Weiß. bis alles schwebt-
Kommt! Ins Offene! Auf den Balkon! Oder ans Fenster! Legt Hand auf Hand! Lasst sie gewaschen sein! Klatscht in die Hände!
Und am Neunten, am Abend, kam von drei Worten ein Wind auf. Die Blätter fielen, der Baum stand stramm, ja, am Abend stürzte er um.
Die Karl-Heine-Straße ist eine breite, quirlige Straße. Ich mach bei einem Kuchenbasar mit, Flohmarkt im Westwerk. Ich kann das Sternbild Pegasus vom Sternbild Großer Wagen unterscheiden. Ich bin eine Roboter man hat mich mit den Daten eines Sterns programmirt
barken in den traumkanälen, wunschgetrieben. parabelbögen, traumtänzer. über geweben aus schatten und glanz. vielfarbige glasblütendelirien
fu-ku-shi-ma, poetryvideo von odile endres
gleichgültig gegen den grauen greifswalder Himmel liebtest du die stadt & die fretowschen felder Wälder das paradies in dem diana ritt zur jagd dort wo Amor seine pfeile schoss in deine glasreinen reime
an aller augen nagt hunger die potemkinsche jungfrau erscheint nicht pünktlich zum abendbrot
Ich bin ein Schrei aus dem Nebel bin die die der Fremde spricht ganz ohne Nabel wo fange ich an
Sie will sich beobachtet fühlen. Sie bewegt sich gerne im Schnittpunkt der drei Fenster ihres Raumes. Sie spielt, als wolle sie etwas verbergen. Sie möchte Gegenstand einer Empörung werden, die die Bewohner aller gegenüberliegenden Häuser erfasst.
Mit Verlaaaaubb
wirkmächtig heftig
Lügen die Menschen weil
Unterwegs suchten wir – erfüllt von der Lust zu überschreiben – andere Begleiter der Sprachbeherrschung
und während ich dies aufschreibe, läuft die graue Katze leise über die Tasten und verwirrt mein Geschriebenes, zärtlich und vorsichtig
Wie du dichtest bist du um den Stein gewunden wie mir graut.
In den Anfängen im Jahr 2001 kürzte ich den Namen „Lyrikzeitung & Poetry News“ mit L&P ab. Der doppelte deutsch-englische Name sollte Programm für weltoffene und womöglich mehrsprachige Nachrichten sein, News auch schon mit dem Hintergedanken, der heute offen als Motto dient, der Definition von Ezra Pound: Poetry is news that stays news.
Irgendwann kam ich auf die Idee, das Kürzel zu erweitern: L&Poe. Natürlich dachte ich an den Dichter, dessen Namen erscheint, wenn man das Kürzel auf Englisch spricht: L`n Poe, Allan Poe. (Manchmal kürze ich auch LnPoe ab).
Und gewiß war auch der Kurzname programmatisch. War mir Poe anfangs „nur“ als Verfasser von Schauergeschichten bekannt, hatte ich mich langsam in seine Bedeutung für die Literatur der Moderne eingelesen. Insbesondere Baudelaire „entdeckte“ ihn für Frankreich und Europa. / Mehr dazu und zum Text von Edgar Allen Poe: Der Rabe
Wat is 'n Johr? En korten Schritt! En Druppen, de in 't Weltmeer flütt! Un doch is in em so väl Qual, un so väl Freud' un Lust tomal!
Man musste ihm nicht in allem zustimmen, aber seine Stimme wird fehlen, die Lücke ist nicht zu schließen. Statements von Paul-Henri Campbell | Andreas Heidtmann | Alexandru Bulucz | Carolin Callies | Dieter M. Gräf | Beate Tröger | Horst Samson | Volker Sielaff | Ulrich Koch | Hendrik Jackson hier
„AUTHENTISCH LEHNE ICH AB!“ Dirk Skiba über seine Dichterporträts – Konstantin Ames sprach mit dem Fotografen am 19.07.2021
Schreiben kann man angeblich auch nicht lernen, und doch gibt es Literaturinstitute im deutschsprachigen Raum. Und vielgelesene Alumni. Und niemand weiß besser, was ein Verriss für Schreibende bedeutet, als
Der Autor schreibt: "Der Fortsetzungsessay "Über Haltung und Versgrammatik" erläutert anhand von Aspekten der Grammatik und Syntax mein generatives Textverständnis. Ihm liegt die Beobachtung zugrunde, dass der deutliche Ausweis des Materialcharakters meiner Montagen stets aufs Neue LeserInnen verunsichert und von einer engagierten Lektüre abhält. Während die ersten Kapitel anhand von Streitfällen in der Bewertung von Interpretationen und Übersetzungslösungen zeigt, wie man Verständnis über Texte gewinnt, indem man sich fragt, wie wurde der erzielte Eindruck aus dem Arrangement des Materials gewonnen, rücken die hinteren Teile immer stärker die Frage ins Zentrum, wie ich aus den von mir verwendeten Materialien Texte erarbeite."
Rückblick auf die Debatte um einen Beitrag von Konstantin Ames: Grußwort zum Endebeginn des Lyrikbetriebs (2021)
2021 gab es eine aufgeregte und wüste Debatte um einen Aufsatz von Konstantin Ames. Aus dem zeitlichen Abstand versuche ich eine Neubesichtigung. War da was war was da da was war da war was was war da was da war.
Ames‘ Thema ist institutionalisierte Elitenbildung. Ausgewählte Personen wählen andere nun auch ausgewählte aus. Offenbar gibt es eine Grundtendenz im Betrieb, die Zahlen klein zu halten. Wer sollte auch die Vielen alle lesen, kaufen, rezensieren und fördern?
Spätestens hier drängt sich mir der Gedanke auf, dass die fast geschlossene Abwehrhaltung der meisten an der „Debatte“ Beteiligten daher kam, dass eben zu viele sich mitgemeint fühlten. Zu Recht oder zu Unrecht.
Diese gewisse Fokusverschiebung soll aber im Rückblick nicht verdecken, dass hier nicht Personen angegriffen werden, sondern Strukturen. Wer würde sich offen gegen die Aufstellung klarer Regeln aussprechen? Prekäre Strukturen, über die es nicht weniger, sondern mehr Gesprächs bedarf.
Sire, geben Sie Lyrikfreiheit!
Ein Mailwechsel (Teil 1)
Name, Alter, Beruf und Vorerkrankungen: Literatrue in Zeiten des Wettbewerbs. Ein Mailwechsel
Greifswalder Universität entschied sich für Ernst Moritz Arndt. Greifswalder Denkmalstreit anno 1854
Hin und wieder sollten wir Autoren, über die wir sprechen, auch wieder lesen.
Der Rumäne. Wenn man monatelang „Nieder mit dem Kommunismus“ gerufen hat, wundert man sich hier. Will nun ins Ausland gehen, weil es mit diesem Volk keinen Zweck hat.
Es sind Substantive, Verben, Adjektive und Adverbien, poetische Allerleiworte (Herbst, Wind, Geäst) sind dabei, aber auch sperrigere (Laubgardinen, Monatsraten, Tuerei, Geld).
Der Roman ist, was mir beim Lesen passiert. Je mehr Abschweifen, umso mehr passiert. Nicht mehr wissen, sondern mehr erleben. Das ist der Plan.
Da hat der deutsche Übersetzer ein bisschen nachgeholfen. Mulligan beruft sich auf Swinburne, aber die Bilder der rotzgrünen See in der Farbe der irischen Dichter sind ganz sein eigen. Er ist kein verlässlicher Erzähler.
Ich mag die Parallele nicht ausreizen, nur die vage Idee, dass der Kapitelheld in Beziehung zu Stephen Dedalus gesetzt wird, die Gemeinsamkeit wäre der Konflikt mit der Mutter (die bei Homer den Freiern ausgesetzt ist / sie gewähren lässt). Eine Interpretation müsste dann hier ansetzen, aber im Moment brauche ich sie gar nicht.
Lesetabu Ulysses wird fortgesetzt im Januar 2021 (L&Poe Journal #03)
Sibylla Schwarz-vorfassung 29-09-15.docx ausgeschieden aus arbeitsfassung.docx schwarz1 2.pdf recovered new.pdf neuste-28-01.docx neuste-28-01 Kopie.docx neuste-28-01 Kopie 2.docx neuste-28-01 Kopie 3.docx
Ivan Sviták
(10. Oktober 1925 in Hranice na Moravě – 20. Oktober 1994 in Prag)
Die Erkennbarkeit der Welt Wo ich war dort war ich nicht Ich war also dort wo ich nicht war Oder war ich dort wo ich war? War ich? War ich nicht? Ich bin wo ich bin und werde sein wo ich sein werde Wo ich bin werde ich nicht sein Wo ich sein werde dort bin ich nicht Werde ich hier sein werde ich nicht dort sein und wenn ich nicht dort sein werde werde ich hier sein Ich bin wo ich nicht bin und werde sein wo ich nicht sein werde Wenn ich jedoch nicht bin wo ich nicht bin werde ich nicht mehr dort sein wo ich sein werde Wenn ich nicht dort sein werde wo ich nicht bin werde ich dort sein wo ich bin Doch wo bin ich? Auf dem Weg zum Nichtsein Und was werde ich sein? Du wirst sein was du warst wenn du nicht warst
Aus dem Tschechischen von Paul Kruntorad, aus: Ivan Sviták, Unwissenschaftliche Anthropologie. Dialectica modo empirico demonstrata. Frankfurt/Main: S. Fischer, 1972, S. 266
Jakob Haringer
(* 16. März 1898 in Dresden; † 3. April 1948 in Zürich)
Tot Ist alles eins, Was liegt daran, Der hat sein Glück, Der seinen Wahn. Was liegt daran! Ist alles eins, Der fand sein Glück! Und ich fand keins.
Aus: Jakob Haringer, Poesiealbum 373. Wilhelmshorst: Märkischer Verlag, 2022, S. 8
Henri Chopin
(* 18. Juni 1922 bei Paris; † 3. Januar 2008 in Dereham, Norfolk)
Heute vor 15 Jahren starb der französisch-britische visuelle und Klangkünstler Henri Chopin („poésie sonore“). Hier ein Schreibmaschinenpoem.
Chronique, Page 7, 1974
Originalmanuskriptseite aus: Collection OU, Nr. 5, Tinte und Letraset auf Papier
Rohübersetzung des französischen Texts (Annäherung, da der satzzeichenlose Text verschiedene Lesarten zulässt und man sich im Deutschen mehr festlegen muss).
und revolutionen sind nicht mehr möglich in einer zeit da sozialismen neo-traditionalisten sind und die Tradition nie existiert hat sie ist eine erfindung der gleichen ordnung wie gott die zeitalter löschen alles aus außer dem leben mit dem der tanz unerhört sein muss und die sterne pissen unaufhörlich vom himmel und sozialisten und kapitalisten lachen
Aus: Marvin und Ruth Sackner: Schreib/maschinen/kunst// München: Sieveking, 2015, S. 306
Sándor Petőfi
Ungarisch Petőfi Sándor, slowakisch Alexander Petrovič, * 1. Januar 1823 , gestern vor 200 Jahren, in Kiskőrös als Sándor Petrovics; † (gefallen) 31. Juli 1849 bei Segesvár (Schäßburg, Sighișoara, heute in Rumänien).
Wer ich bin? Ich sag es nicht! Kann nicht meinen Namen nennen; keiner darf mich hier erkennen. Wollt ich meinen Namen sagen, knüpft man mich gleich auf am Kragen. Hab, um dem zuvorzukommen, nicht den Fokosch mitgenommen, könnt nicht fliehn quer durch die Heide, denn mein Pferd grast auf der Weide. Ach, vom Wein brummt mir der Schädel! Sollt ich dich verlassen, Mädel? Nein, dann möcht ich lieber sterben! Wein und Weib sind mein Verderben. Doch warum mich jetzt schon sorgen? Anders ist das alles morgen. Sollt mich dann solch Schnapphahn fragen, ha, Bescheid werd ich ihm sagen! 1843
Deutsch von Martin Remané, aus: Sándor Petőfi: Gedichte (Bibliothek der Weltliteratur). Berlin und Weimar: Aufbau, 1981, S. 21
KI VAGYOK ÉN? NEM MONDOM MEG... Ki vagyok én? nem mondom meg; Ha megmondom: rám ismernek. Pedig ha rám ismernének? Legalább is felkötnének. Nincs a fokos a kezemben, Hogyha kéne verekednem; Nyerges lovam messze legel, Nem t'ok futni, ha futni kell. Hogy is tudnék futni mostan? Mikor a fejem televan; Nem csak fejem, de szívem is - A bor meg a leány hamis. Ha elhagyom galambomat, Kialuszom mámoromat, S rajtam ütnek a hadnagyok: Majd megmondom, hogy ki vagyok! Pozson, 1843. május
Neueste Kommentare