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Horst Samson
landregen die tür fällt ins schloss der Schlüssel steckt von außen und ich denke dass die tür ins schloss gefallen ist und der Schlüssel von außen steckt das zimmer ist klein es riecht nach Schimmel in den ecken spinnweben überall hat sich der staub breitgemacht und aus dem radio fehlt der lautsprecher vier schritte dann bin ich beim fenster es ist vernagelt die scheiben sind gesprungen ich fahre mit der hand über das holz und die färbe blättert ab der herbst denke ich vor dem fenster steht der armstuhl in dem großvater seine Zigaretten gedreht hat ich setze mich hin und sehe die sonne steigen und auch wieder verschwinden in der dämmerung geht mein mädchen vorüber in die finsternis mit offenem haar und glitzernden augen die dunkelheit kommt schneller die dunkelheit bleibt länger die letzte glühbirne in dieser gasse ist vorgestern ausgebrannt es ist schon spät noch zuckt kein blitz über den himmel plötzlich geht ein landregen nieder gleichmäßiges tropfen einschläfernd ich schlage die fensterscheiben ein und blute dann ist es wieder still ringsum es ist nicht aufzuhalten das schweigen
Aus: die bewegung der antillen unter der schädeldecke. junge rumäniendeutsche lyrik zwischen 1975 und 1980. Eine (historische) Anthologie. Hrsg. Walter Fromm. Erweiterte, kritische Neuauflage 2022. Ludwigsburg: POP, 2022, S. 146f
Diese Anthologie wurde 1980 in Rumänien abgelehnt und daraufhin als kartoniertes Typoskript vervielfältigt. 9 von den 10 in dieser Anthologie versammelten Lyriker reisten zwischen 1981 und 1992 in die Bundesrepublik Deutschland aus. Horst Samson wurde 1954 in Salcimi in Rumänien geboren. 1987 emigrierte er und lebt heute bei Frankfurt am Main.
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