Nokturne Schrei

Gibt es Expressionismus in den spanischsprachigen Literaturen? Wohl nicht. Bestimmt aber Gedichte mit Anklängen, Anmutungen. Dieses vielleicht. (Mit Dank an Àxel Sanjosé und den Verlag).

Xavier Villaurrutia

(* 27. März 1903 in Mexiko-Stadt; † 25. Dezember 1950 ebda.)

Nocturno grito

Tengo miedo de mi voz
y busco mi sombra en vano.

¿Será mía aquella sombra
sin cuerpo que va pasando?
¿Y mía la voz perdida
que va la calle incendiando?

¿Qué voz, qué sombra, qué sueño,
despierto que no he soñado,
serán la voz y la sombra
y el sueño que me han robado?

Para oír brotar la sangre
de mi corazón cerrado,
¿pondré la oreja en mi pecho
como en el pulso la mano?

Mi pecho estará vacío
y yo descorazonado,
y serán mis manos duros
pulsos de mármol helado.

Nokturne Schrei

Ich habe Angst vor meiner Stimme
und suche vergeblich meinen Schatten.

Ob jener Schatten ohne Körper,
der dort vorbeigeht, meiner ist?
Und meine die verirrte Stimme,
welche die Straße in Brand steckt?

Welche Stimme, welcher Schatten, welcher wache
Traum, den ich nicht geträumt habe,
werden die Stimme und der Schatten
und der Traum sein, die mir geraubt wurden?

Um das Blut meines verschlossenen Herzens
wallen zu hören,
soll ich da das Ohr auf meine Brust legen
wie die Hand auf die Pulsader?

Meine Brust wird leer sein
und ich ohne Herz,
und meine Hände werden harte Pulsschläge
aus eiskaltem Marmor sein.

Aus: Villaurrutia, Xavier: Sehnsucht nach dem Tod. Nostalgia de la muerte. Sämtliche Dichtungen spanisch / deutsch. Hrsg. v. Alberto Pérez-Amador Adam. Übertragen von Curt Meyer-Clason. Aachen: Rimbaud Verlag, 2007

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