Teleskop

Louise Glück

TELESKOP

Es gibt einen Moment, wenn du dein Auge abwendest,
da vergisst du, wo du bist,
weil du, scheint es, von jeher
anderswo lebst, in der Stille des nächtlichen Himmels.

Du bist nicht länger hier in der Welt.
Du bist an einem anderen Ort,
einem Ort, wo menschliches Leben keine Bedeutung hat.

Du bist nicht ein Geschöpf in einem Körper.
Du existierst, wie die Sterne existieren,
nimmst teil an ihrer Stille, ihrer Unendlichkeit.

Dann bist du wieder in der Welt.
Nachts, auf einem kalten Hügel,
zerlegst du das Teleskop.

Später merkst du,
nicht, dass das Bild falsch ist,
falsch ist der Bezug.

Du siehst wieder, wie weit entfernt
jedes Ding von jedem anderen ist.

Aus: Louse Glück: Averno. Gedichte. Aus dem Amerikanischen von Ulrike Draesner. München: Luchterhand, 2007, S. 159

Hier gibt es den Originaltext

1 Comments on “Teleskop

  1. ich habe das halbe internet durchsucht nach gedichten von ihr und so gut wie nichts gefunden, insofern danke, dass du das poem hier gepostet hast.
    ein schönes wochenende wünsche ich dir.

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